Kaufrechte

Günter Pohl

Günter Pohl

Nehmen wir einmal an, die USA würden die Rechte armer, zum Verkauf ihrer Arbeitskraft verdammter Menschen als schutzwürdige Menschenrechte ansehen: dann würde sich im freiesten Land der Welt der Blickwinkel auf die universellen Grundrechte dahingehend schärfen, dass es tatsächlich noch mehr als Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit gibt. Denn neben den politischen sind in der UN-Charta natürlich auch die sozialen Menschenrechte verankert, wie beispielsweise das Recht auf Wohnen, auf Arbeit, auf Bildung. Die sind in den USA käuflich zu erwerben, also eher nicht universell.

Es liegt in der Natur der Sache, dass, wer Defizite bei der einen Sorte von Menschenrechten hat, beim politischen Gegner umso mehr auf die Verletzung der jeweils anderen zeigt. Deshalb ist Präsident Obamas Besuch auf Kuba ebenso von medialem Geplänkel über diese und jene Missachtung von Grundrechten begleitet wie der von Bundespräsident Gauck in China, wo man gewiss mit asiatischer Langmut und einem entspannten Lächeln auf die Belehrungen über „Freiheit“ eingehen wird. Sowohl das revolutionäre Kuba als auch die VR China wissen, dass die, um die sich der kapitalistische Widersacher sorgt, von diesem finanziell und politisch gepäppelt werden – ob sie nun weiß gekleidete Frauen oder mittelprächtige Künstler sind. Und dass nichts diese Menschen davon abhalten wird, alle angeblich unteilbaren und verteidigenswerten Menschenrechte in den Boden zu stampfen, wenn mit Hilfe der imperialistischen Weltmächte die Konterrevolution gesiegt haben sollte.

In beiden Fällen werden die Missstände der anderen beklagt von „frei gewählten“ Präsidenten (der eine zwar vom Volk ausgesucht, aber aus einem Pool von kaum mehr als fünf Menschen, die die abermillionenschwere Werbekampagne finanzieren können – der andere ohne Wahlschmiergeld, aber dafür von gerade 1240 Wähler/inne/n gewählt). Sie sind Vertreter des politischen Establishments, das mit lautem Geschrei die Verfehlungen der Politik der Klasse kaschieren muss, deren Geschäfte es abzusichern hat. Dieses Gezeter ist das normale Business; wer darüber schimpft, hat zwar Recht, aber letztlich vielleicht genauso wenig verstanden wie jene, die deren Propaganda glauben.

Also ist nur von der attackierten Seite etwas zu erhoffen, was zu Erkenntnisgewinn beitragen könnte. Kuba z. B. hat keine Probleme, mit den USA über Menschenrechte zu debattieren. Würde ein solches Gespräch zwischen Barack Obama und Raúl Castro weltweit im Fernsehen übertragen, gäbe es gewiss einen Sympathieschub für die Position Kubas – vor allem in den USA. Dass aber die Arbeitskraftzwangsveräußerer sich ihrer Situation bewusst werden, wäre der erste Schritt dahin, dass sie etwas dagegen tun. Und deshalb würden sowohl die USA als auch Deutschland gern lieber weiterhin allein bestimmen, was Recht, was Freiheit, was Glück ist. Und zwar für die, die sich die anderen Rechte kaufen können.

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"Kaufrechte", UZ vom 25. März 2016



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