„Washington hat Aleppo aufgegeben. Die Schlacht von Aleppo entscheidet aber über die Zukunft Syriens“ Das schreibt die FAZ in ihrer Ausgabe vom letzten Sonntag.
Monatelang war über einen Waffenstillstand in Syrien und vor allem in Aleppo verhandelt worden. Das Ergebnis wurde vom Pentagon abgelehnt. Es sah vor, dass die sogenannten gemäßigten Rebellen sich von al-Nusra und IS trennen sollten, und es sah eine militärische Zusammenarbeit von Russland und den USA vor. Das Abkommen starb zusammen mit 80 syrischen Soldaten in einem vorgeblich versehentlichen Angriff der US-Luftwaffe.
Danach war Funkstille bis zum vergangenen Wochenende. Vertreter Russlands und der USA, der Türkei und der Golfstaaten, des Iran, Ägyptens und Jordaniens sprachen in Lausanne über eine Wiederbelebung des Waffenstillstandes – und zugleich über die Entwicklungen um Mossul. Ein Ergebnis gab es nicht. Die Verhandlungen sollen auf technischer Ebene weitergeführt werden.
2012 hatten Dschihadisten Teile von Aleppo besetzt, der nach Damaskus wichtigsten Stadt Syriens. Seitdem hatten ihre ausländischen Unterstützer ein Faustpfand, um über die Zukunft Syriens zu bestimmen. Mit der Abriegelung des Ostteils der Stadt und den Fortschritten der Armee wurde ihnen dieses Faustpfand aus der Hand geschlagen.
Die Dschihadisten werden weiter mit modernen US-Waffen versorgt. Dass aber IS und al-Nusra ganz aus Aleppo vertrieben werden, scheint bei aller Vorsicht nur noch eine Frage der Zeit. Nicht zuletzt deshalb, weil Teile der Bewaffneten in Aleppo – die Rede ist von bis zu 2000, die weder zu IS noch al-Nusra gehören – beginnen, mit der Regierung über einen Abzug zu verhandeln.
Eine Koalition aus Syrien, Iran, Russland und Hisbollah – zumindest teilweise unterstützt vom Irak – hat es mit der Unterstützung weiterer Staaten vermocht, die Pläne der USA für einen Regime-Change in Syrien zu stoppen.
Wenn Aleppo befreit wird, wird der Krieg wieder dahin zurückgedrängt, wo er begann: an die Peripherie Syriens. Das ist die „Katastrophe von Aleppo“ – für die westliche Wertegemeinschaft.
Mossul im Irak mit ehemals drei Millionen Einwohnern ist die zweite große Stadt in der umkämpften Region. Auch über sie wurde in Lausanne verhandelt. Die Koalition, die IS aus der Stadt vertreiben will, umfasst die Türkei, schiitische Milizen, die irakische Regierung, die kurdischen Peschmerga, den Iran – alle haben ihre eigenen Vorstellungen, wie die Zukunft von Mossul aussehen soll. Bisher standen die Differenzen im Vordergrund. Der türkische Präsident Erdogan hatte Anfang Oktober in einem Interview erklärt, nach der Befreiung der nordirakischen Stadt Mossul dürften dort nur sunnitische Araber, Turkmenen und sunnitische Kurden leben. Er löste damit heftige diplomatische Verstimmungen aus. Wer Mossul und die umliegenden Ölfelder nach der Vertreibung des IS kontrollieren wird, ob kurdische Peschmerga, die Irakische Armee oder alle Beteiligten gemeinsam, ist offen.
Mit dem gegenwärtigen militärischen Aufmarsch und der bevorstehenden Offensive scheint es jedoch gelungen zu sein, die Differenzen in den Hintergrund treten zu lassen. Die führende Rolle bei dem anstehenden Angriff haben bisher die Irakische Armee und ihre US-Berater inne.
Der Schock über den anstehenden Verlust von Aleppo mag bei manchen der Beteiligten die Bereitschaft zur Zusammenarbeit gefördert haben.