Was veranlasst die deutsche Unternehmerschaft, aus der Deckung zu kommen und uns Wählern nahezulegen, doch bittesehr die AfD nicht zu wählen? Es ist eigentlich gegen den guten Ton, wenn die Wirtschaftsbosse im parteipolitischen Tagesgeschäft Stellung nehmen.
Sie führen sehr allgemeine Gründe an, ohne spezifisch zu werden. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, behauptet, die AfD sei „schlecht für dieses Land“. Christian Sewing, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, warnt vor Gefahren für den Standort Deutschland und hält „die Ideen der Populisten“ für „reines Gift für die Wirtschaft“.
Die Wirtschaftsforschungsinstitute urteilen wie immer ähnlich wie die Bosse. In einer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) – es wird vom BDI und den Arbeitgeberverbänden bezahlt – erstellten Studie wird die Motivation der Unternehmer selber Untersuchungsgegenstand. Dort heißt es, 69 Prozent der befragten Unternehmen meinen, die AfD könnte dem Wirtschaftsstandort Deutschland schaden, 63 Prozent befürchten, der „Zusammenhalt der Belegschaften“ könne Schaden nehmen. In der Studie wird auch erwähnt, dass „nur“ 23 Prozent der Unternehmer einige Positionen der AfD „trotz deren wirtschaftsliberaler Programmatik“ für sinnvoll oder grundsätzlich für vertretbar halten.
Also befinden sich unter Unternehmern doch wohl mehr AfD-Fans als in der Gesamtwählerschaft. Mag sein, dass die Kampagnen der Unternehmerschaft sich weniger ans breite Publikum richten, sondern eher eine Art Autosuggestion darstellen. Das betrifft insbesondere die Themen EU und Euro. Tatsächlich ist die AfD aus einer Anti-Euro-Fraktion der CDU/CSU hervorgegangen. Einer ihrer Gründungsväter war der ehemalige BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel. Die heutige AfD nimmt ebenfalls eine vorsichtige und ziemlich vage kritische Haltung zur EU und ihren Institutionen ein. Eine ähnliche Haltung dürfte auch in Industrie- und Bankenkreisen weit verbreitet sein. Wenn diese der AfD nun vorwerfen, sie wollten Deutschland aus der EU herausführen, sollte man das als einen Appell an die eigene Einigkeit bewerten.
Wirtschaftspolitisch ist es schwer, gewichtige Unterschiede zwischen der „Alternative für Deutschland“ und den Unternehmerverbänden und den ihnen folgenden Parteien von Union, FDP, Grünen und Sozialdemokraten zu finden. Die Argumente, weshalb die AfD-Politik der deutschen Wirtschaft schaden sollten, bleiben daher wolkig. Plausibel ist immerhin, dass der immigrantenfeindliche Ton der AfD Investoren aus dem Ausland (es sind ja schließlich Ausländer) tatsächlich abschreckt. Aber in der Praxis sind die anderen Parteien – insbesondere die CDU/CSU – immer bereit gewesen, solche Parolen und Forderungen der AfD zu übernehmen oder sie zu übertreffen.
Als Interpretatorin der Unternehmerkampagnen tritt hilfreich die „Bildzeitung“ mit der Erkenntnis auf, die AfD verspreche Steuersenkungen, sie wolle sogar die Erbschaftsteuer ganz abschaffen. Aber Achtung, schreibt das aufklärerische Blatt: Das klinge oberflächlich betrachtet gut. „Aber der Blick ins Detail verrät: Das nutzt vorwiegend den Reichen!“ Da hat „Bild“ ausnahmsweise recht. Jedoch beschweren sich die Unternehmer gar nicht über diese AfD-Forderung, sondern vertreten auch in diesem Punkt explizit AfD-Positionen.