Bangladesch: Aussperrungen und Polizeigewalt gegen Textilarbeiter

Kapitalismus, unverhüllt

Marion Baur

Seit einer Woche demonstrieren täglich tausende Textilarbeiterinnen und Textilarbeiter in Bangladeschs Haupstadt Dhaka. Sie fordern eine deutliche Anhebung des Mindestlohns auf 195 Euro pro Monat. Der liegt derzeit bei umgerechnet etwa 68 Euro pro Monat – das reicht nicht ansaztweise zum Leben. Der Mindestlohn wurde seit fünf Jahren nicht mehr erhöht. Viele Fabrikanten bezahlen noch weniger, als gesetzlich vorgeschrieben ist. Zudem leiden die Arbeiter unter der hohen Inflation. Gleichzeitig wächst die Arbeitshetze in den gut 4.000 Textilfabriken des Landes.

Die Fabrikbesitzer reagieren mit Aussperrungen auf die Demonstrationen: „Mehrere hundert Fabriken, darunter sehr große, werden wegen der Demonstrationen vorübergehend geschlossen“, berichtete ARD. Die Polizei geht mit Tränengas, Knüppelorgien und Massenverhaftungen gegen die Kolleginnen und Kollegen vor. Mehrere von ihnen verloren ihr Leben. Die Repressionen und das bisherige Angebot des Texilverbands, den Mindestlohn um 25 Prozent zu erhöhen, facht die Wut der Arbeiter weiter an.

Die Textilarbeitergewerkschaft National Garments Workers Federation (NGWF) will nicht aufgeben, bis ihre Forderungen erfüllt sind. „Durch die Proteste merken Regierung und Textilverbände, dass die Leute sich wehren und nicht alles einfach nur hinnehmen“, erklärte ihr Vorsitzender Amirul Haque Amin.

Die Textilarbeiter in Bangladesch verfügen über keinerlei Ersparnisse, ganz wie die streikenden Textilarbeiter von Crimmitschau vor 120 Jahren. Sie sind auf materielle Solidarität angewiesen, um ihren Kampf länger durchhalten zu können. Die DKP-Grundeinheit Textilarbeiter bat die IG Metall Brandenburg, auf die Situation der Kolleginnen und Kollegen in Bangladesch aufmerksam zu machen und Solidarität zu üben.

Mehr als 4,5 Millionen Menschen arbeiten in der Textilbranche in Bangladesch. Ihre Produkte im Wert von 43 Milliarden Euro pro Jahr machen 85 Prozent des Exportvolumens des Landes aus. Fast alle großen westlichen Textilhersteller lassen dort produzieren, beispielsweise H&M, GAP, Adidas, Puma, Kik oder Marks & Spencer.

Brief der DKP-Grundeinheit Textilarbeiter an die IG Metall Brandenburg
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir – Textilarbeiterinnen und Textilarbeiter, meist aus Brandenburg – erleben mit Empörung die „Betriebsschließungen“ (wir nennen das Aussperrung) und das brutale Vorgehen der Polizei gegen demonstrierende Textilarbeiter in Bangladesch, besonders in der Hauptstadt Dhaka. Sie gehen auf die Straße, um die Forderung ihrer Gewerkschaft nach Anhebung des Mindestlohns für Textilarbeiter auf umgerechnet 195 Euro monatlich zu unterstützen.
Derzeit verdient eine Textilarbeiterin umgerechnet etwa 68 Euro im Monat, ein Hungerlohn im wahrsten Sinne des Wortes. Selbst dieser wird oft nicht eingehalten und wurde seit fünf Jahren (!) nicht erhöht.
Unsere Schwestergewerkschaft in Bangladesch tut unserer Meinung nach genau das Richtige, wenn sie darum kämpft, wenigstens die schlimmsten Härten für die Kolleginnen und Kollegen abzumildern.
Wir möchten hiermit unsere IG Metall ersuchen, sich verbal – und sollten die Aussperrungen weitergehen, auch materiell – mit den Textilarbeitern zu solidarisieren.
Die meisten deutschen Textilhersteller und -Labels (billige wie teure) lassen in Bangladesch produzieren. Unsere seit Jahrzehnten bei Arbeitsunfällen, Fabrikeinstürzen, Bränden etc. verletzten oder getöteten Schwestern dort zahlen den bitteren Preis für die Gewinne der deutschen Unternehmer. Ihnen soll nicht einmal ein halbwegs zum Leben reichender Lohn gezahlt werden.
Wir müssen als Gewerkschafter unsere Stimme in Solidarität mit den Textilarbeitern in Bangladesch erheben!
Mit kollegialen Grüßen
Marion Baur
DKP-Grundeinheit Textilarbeiter

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