Schwarze Null und massive öffentliche Investitionen – wie geht das zusammen? DGB-Chef Hoffmann kritisiert Schuldenbremse

Kapital will Staatsknete

In der vergangenen Woche hat der DGB-Bundesvorsitzende Reiner Hoffmann in einem Interview im „Deutschlandfunk“ die Forderung nach massiven öffentlichen Investitionen und die Kritik der Gewerkschaften an der Schuldenbremse und der Politik der schwarzen Null erneuert. Noch vor wenigen Jahren wäre dies ein einsamer Ruf gewesen, der im lauten neoliberalen Getöse der „Haushaltskonsolidierer“ untergegangen wäre. Inzwischen wird die Forderung nach „Zukunftsinvestitionen“ auch von Institutionen erhoben, die diese bisher strikt abgelehnt haben.

Im vergangenen Herbst sprach sich der in seiner Mehrheit neoliberal geprägte Sachverständigenrat der Bundesregierung vor dem Hintergrund von Transformation, Klimaschutz und demografischen Entwicklungen für beträchtliche private wie öffentliche Ausgaben aus. Neben den „Wirtschaftsweisen“ forderte auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) im Vorfeld der Bundestagswahl von einer zukünftigen Bundesregierung entsprechende Zukunftsinvestitionen. Die Ampel-Regierung kam dem Wunsch mit der Ankündigung von Investitionen in Höhe von 50 Milliarden Euro im Koalitionsvertrag nach.

Diese vermeintlichen Neupositionierungen erwecken den Anschein, als hätten sich die Gewerkschaften mit ihren wirtschaftspolitischen Positionen nach jahrelangen Auseinandersetzungen gegen Politiker wie Hans Eichel (SPD-Finanzminister von 1999 bis 2005) und Wolfgang Schäuble (CDU-Finanzminister von 2009 bis 2017) durchgesetzt. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass Kapitalverbände und die ihren Interessen dienenden Parteien ganz andere Vorstellungen von „Zukunftsinvestitionen“ haben als Gewerkschaften und eine politische Linke. Bankenrettungen während der Finanzkrise oder milliardenschwere Subventionen für Unternehmen während der Pandemie sind schließlich etwas völlig anderes als die vom DGB geforderten Investitionen in Bildung, Gesundheit sowie eine angemessene Bezahlung und personelle Ausstattung des öffentlichen Dienstes.

Das aktuelle Interesse der Monopole an staatlichen Investitionsprogrammen liegt in erster Linie in der Transformation und dem damit verbundenen Umbau der Industrie begründet. Digitalisierung, Dekarbonisierung und zunehmende Internationalisierung von Produktions- und Wertschöpfungsketten haben zu massiven Veränderungen in der Produktionsweise geführt.

Alte Industrien verlieren an Bedeutung oder verschwinden ganz. Gleichzeitig entstehen in Form von Digitalkonzernen wie Google, Facebook oder Amazon neue Schlüsselindustrien. Daten werden zu einer ökonomisch immer bedeutenderen Ware und sind Schmiermittel kapitalistischer Akkumulation. Um mit dieser Entwicklung Schritt zu halten, müssen sich die heimischen Konzerne neu aufstellen. Sie werden selbst zu Digitalkonzernen. Investitionen fließen verstärkt in die Entwicklungsabteilungen und den IT-Bereich. Der Umstieg auf Elektromobilität und Wasserstofftechnologien verstärkt diesen Trend. Mit diesen ökonomischen Entwicklungen entstehen neue Märkte und die Konkurrenz bei deren Neuaufteilung nimmt zu.

In der Konsequenz soll der Staat seine Rolle als ideeller Gesamtkapitalist wahrnehmen und Investitionsprogramme auflegen. Eine gut ausgebaute, mit öffentlichen Mitteln finanzierte Infrastruktur und Grundlagenforschung sowie ein hochgerüsteter Militärapparat sind entscheidende Wettbewerbsvorteile gegenüber konkurrierenden Volkswirtschaften. Falls überraschend doch einmal Anträge nach öffentlichen Investitionen im Interesse der arbeitenden Menschen den Weg in den Bundestag finden sollten, hat die Regierung diese schon jetzt unter Finanzierungsvorbehalt gestellt. Hierüber entscheidet dann das FDP-geführte Wirtschaftsministerium.

Da die Bundesregierung klargestellt hat, an der Schuldenbremse und der schwarzen Null festzuhalten und gleichzeitig auf Steuererhöhungen für große Vermögen zu verzichten, werden die als „Zukunftsinvestitionen“ bezeichneten Subventionen für die großen Konzerne aller Voraussicht nach von den arbeitenden Menschen bezahlt werden müssen. Die geplante CO2-Steuer ist nur ein Beispiel dafür, wie dies in bester grüner Praxis „klimaneutral“ geschehen kann.

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"Kapital will Staatsknete", UZ vom 21. Januar 2022



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