Deutsche Waffenexport-Kontrolleure fahren lieber ins Surferparadies als in die Ukraine. Auch US-Regierung weiß nichts vom Verbleib der gelieferten Raketen

Kap Verde statt Kiew

Zwei Meldungen, ein Irrsinn: Die Bundesregierung hat in den vergangenen beiden Jahren Waffenexporte für mehr als 20 Milliarden Euro genehmigt. Vor-Ort-Prüfungen sollen sicherstellen, dass ausgelieferte Waffen tatsächlich im Empfängerland landen und verbleiben, statt illegal an Dritte weitergeleitet zu werden. Allein, die Ampel nimmt es mit den sogenannten Post-Shipment-Kontrollen nicht allzu ernst. 2023 hat die zuständige Kontrollbehörde in gerade einmal zwei Fällen vor Ort geprüft, ob exportierte Rüstungsgüter auch im Empfängerland verblieben sind: Im Januar wurde in Taiwan der Verbleib deutscher Handfeuerwaffen überprüft. Im Sommer reiste ein deutsches Kontrollteam nach Kap Verde, eine vom Reisemagazin „Travelbook“ als „echtes Naturparadies“ angepriesene Inselgruppe im Zentralatlantik vor der Westküste Afrikas. Dies geschah „ebenfalls im Hinblick auf Handfeuerwaffen“, wie das Grünen-geführte Bundeswirtschaftsministerium in seiner Antwort auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen (BSW) betont, über die der „Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe berichtet. Beide Kontrollen dort seien „ohne Beanstandungen“ verlaufen, so Staatssekretär Sven Giegold.

Die Ukraine ist seit zwei Jahren Hauptempfänger deutscher Waffen. Allein im Jahr 2023 erhielt das Land Rüstungslieferungen für 4,4 Milliarden Euro. Auf Kontrollen vor Ort verzichtet die Ampel. Kiew habe versichert, dass Waffen aus Deutschland im Land blieben, so Giegold. Bislang habe kein Anlass bestanden, daran zu zweifeln. Auch will man die Kriegsführung nicht unnötig stören. Dazu der Grünen-Staatssekretär: „Die Bundesregierung prüft unter Berücksichtigung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen, ob und zu welchem Zeitpunkt solche Vor-Ort-Kontrollen in der Ukraine angebracht sind. Etwaige Verifikationsmaßnahmen dürfen die Ukraine dabei keinesfalls bei ihrer effektiven Verteidigung gegen die anhaltenden russischen Aggressionen beeinträchtigen.“ Kap Verde lockt dagegen mit „viel Sonne“ und „traumhaften Stränden“ („Travelbook“), mit Rüstungsgütern aus Deutschland für rund 350.000 Euro in den vergangenen 25 Jahren bleibt die Kontrollarbeit für Giegolds Waffenfinder vor Ort mithin überschaubar.

Die Oppositionsabgeordnete Dagdelen nannte die Kontrollen im „Spiegel“ denn auch eine „Lachnummer“. Die Bundesregierung versuche die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen, wenn gerade einmal zwei Waffenkontrollen vor Ort durchgeführt und die Prüfer lieber nach Kap Verde als nach Saudi-Arabien oder in die Vereinigten Arabischen Emirate geschickt würden. Gerade mit Blick auf die Korruption in der Ukraine müsse es auch dort Prüfungen geben.

In den USA wird derweil bekanntgemacht, die Regierung von Präsident Joseph Biden wisse beim Großteil ihrer Waffenlieferungen an die Ukraine nichts über den finalen Verbleib. Bei 59 Prozent der zu kontrollierenden Waffenlieferungen kann das Pentagon demnach keine sicheren Angaben machen. Es geht dabei um rund 40.000 hochsensible Rüstungsgüter, darunter fast 10.000 Javelin-Panzerabwehrraketen, 2.500 Stinger-Boden-Luft-Raketen, etwa 750 Kamikaze-Switchblade-Drohnen sowie 430 Mittelstrecken-Luft-Luft-Raketen. Waffen, die laut Pentagon „aufgrund ihrer Sensibilität, ihrer Anfälligkeit für Abzweigungen oder Missbrauch“ besonders penibel verfolgt werden müssten, wie Robert P. Storch, Generalinspekteur des Pentagon, in einem Interview mit der „New York Times“ in der vergangenen Woche sagte. Es mangele an Personal. Auch das Chaos im Kampf sowie das Risiko von Reisen an die Front erschwerten eine enge Überwachung.

Ob die Waffen „in falsche Hände“ geraten sind, wurde im Rahmen des Pentagon-Berichts nicht untersucht. Allerdings, so die „New York Times“, lägen Pentagon-Beamten keine Hinweise für großflächigen Waffenschmuggel seit Kriegsbeginn vor. Die Betonung dürfte bestenfalls auf dem Adjektiv liegen.

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"Kap Verde statt Kiew", UZ vom 19. Januar 2024



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