Die CDU braucht einen neuen Vorsitzenden, die Unionsparteien suchen einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für Angela Merkel. Hinter den Kulissen in der Union geht es derzeit vor allem um die Kanzlerkandidatur.
Dietmar Bartsch, der Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Linkspartei, nannte in der Debatte zur Regierungserklärung der Kanzlerin im Bundestag vor zwei Wochen in diesem Zusammenhang das Auftreten von Markus Söder (CSU) und Armin Laschet (CDU) „verhaltensauffällig“. Es gehe derzeit „um das Leben und die Existenz von Menschen und nicht um die Karrieren in der Union“. Seit Ende März waren die Ministerpräsidenten von NRW und Bayern fast täglich in den Medien, um den Bürgerinnen und Bürgern in ihren Bundesländern die nächsten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie und später dann erste Lockerungen zu erklären. Während Laschet zunächst eher zögerlich vorging und derzeit mit widersprüchlichen Aktionen auffällt, gab Söder von Anfang an den besorgten Landesvater, den seriösen und verantwortungsvollen „Macher“, der sich nicht allein nur um Unternehmen sorgt und bis heute vor zu schnellen Lockerungen warnt.
Söders Handeln im Zusammenhang mit der Pandemie hat ihm viel Zustimmung eingebracht – bislang, die Stimmung könnte sich angesichts zunehmender Wünsche nach „Normalität“ und zunehmender Kritik an den Lockdown-Maßnahmen jederzeit ändern. Wohl auch, weil er in dieser Situation den vorsichtigen Kurs der Bundeskanzlerin unterstützt. Die „Frankfurter Allgemeine“ lobte ihn Ende März: „Wer Krise kann, kann auch Kanzler.“ Derzeit hätte Bayerns Ministerpräsident im Ringen um die Kanzlerkandidatur die „besten Karten“. Inzwischen glauben – laut einer vom „Spiegel“ im April in Auftrag gegebenen Umfrage – knapp 46 Prozent der Bundesdeutschen, dass die CDU und CSU mit Söder die besten Chancen bei den kommenden Bundestagswahlen hätten. Von den Unionsanhängern halten ihn sogar fast 68 Prozent für den aussichtsreichsten Kandidaten. Friedrich Merz käme derzeit bei Sympathisanten von CDU und CSU auf 16, Laschet nur auf 4 Prozent. Ob Söder aber die Kanzlerkandidatur tatsächlich anstrebt oder erst in vier oder acht Jahren, bleibt offen. Bisweilen hält er sich in dieser Frage zurück und erklärt immer wieder, sein „Traumjob“ sei Bayern und er stehe bei den Bayern im Wort.
Stattdessen bringt sich Friedrich Merz (CDU) wieder in Position. Ende Februar galt er noch als Favorit für die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer und damit auch als Kandidat für die Kanzlerschaft. In Umfragen lag er damals mit 18 Prozent Zustimmung vor Söder mit zwölf und Röttgen mit elf Prozent. Längere Zeit war von ihm wenig zu hören: Merz hatte nicht nur eine Corona-Infektion zu überstehen, sondern, als es in der Pandemie zu handeln galt, auch keinerlei politische Funktion und damit Verantwortung. Nun ist er wieder in den Medien: Dieses Mal mit Lob für Merkel, deren Politik er zuvor immer als „grottenschlecht“ bezeichnet hatte, aber auch mit vielen Ratschlägen für die Politik und eindeutigen Positionen in Wirtschafts-, Innen-, aber auch Außenpolitik. Der Staat könne in der Krise nicht allen helfen. Er ist für vorsichtige Lockerungen, fordert aber, man müsse vor allem der Wirtschaft „eine Perspektive eröffnen“. Der Schutz des Lebens hätte vor anderen Grundrechten „keinen absoluten Vorrang“. Der wirtschaftsnahe und konservative Merz konnte nach der aktuellen „Spiegel“-Umfrage derzeit vor allem bei Anhängern von FDP und AfD punkten.