Am Ende gab es sogar Lob von der Polizei. Die rund 24.000 Menschen, die am vergangenen Samstag dem Aufruf von „Omas gegen Rechts“ gefolgt waren, um in Hannover gegen die AfD zu demonstrieren, seien alle der „bürgerlichen Mitte“ zuzurechnen gewesen.
Was wollte man auch anderes erwarten? Hauptredner war Kriegsminister Boris Pistorius (SPD), in Niedersachsen schon zu seiner Zeit als Innenminister und „roter Sheriff“ beliebt. Mehr Mitte geht nicht. Auf der Kundgebung ging Pistorius in die Vollen, sprach mit Blick auf das gemeinsame Abstimmen von CDU und AfD von einem „Tabubruch“ und rief die Massen dazu auf, jeden Tag für die Demokratie einzutreten.
Eingetreten wurde in den vergangenen drei Jahren Ampel-Regierung in der Tat – allerdings nicht für, sondern auf die Demokratie. Über Nacht wurde der Volksverhetzungsparagraf angepasst, um Kriegsgegnern einen Maulkorb zu verpassen. Friedensaktivisten müssen sich vor Gericht verantworten, wenn sie für Frieden mit Russland eintreten – und sich dadurch der „Billigung eines Angriffskriegs“ schuldig machen. Im Wochentakt werden neue Berufsverbote ausgesprochen: für kapitalismuskritische Lehrerinnen wie Lisa Poettinger, für kampfbereite Gewerkschafter wie Benjamin Ruß und für palästinasolidarische Aktivisten wie Ahmad Othman. Unter dem Stichwort „Staatsräson“ werden Studierende aus Hörsälen geknüppelt, Wohnungstüren aufgebrochen, Demonstrationen und Vereine verboten.
Auch „Tabubrüche“ gab es viele: die Lieferung von Panzern in die Ukraine, die unverhohlene Kriegshetze gegen Russland, die offene Unterstützung des israelischen Völkermords in Gaza – um nur einige zu nennen.
Schon vor der sogenannten „Sicherheitskonferenz“, die die NATO-Kriegstreiber an diesem Wochenende in München veranstalten, wurde bekannt, dass die NATO-Mitglieder verpflichtet werden sollen, künftig 3,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Krieg und Rüstung auszugeben. In der Bundesrepublik steigen die Rüstungsausgaben dadurch um rund 65 Milliarden Euro auf knapp 155 Milliarden. Geht es nach US-Präsident Donald Trump, könnten daraus auch 5 Prozent werden. Wer hat das hier gewählt? Und: Kann man das abwählen?
Wo bleiben die Retter der Demokratie, wenn fast ein Drittel des Bundeshaushaltes auf die kommenden Kriege verpfändet wird? Und wo waren sie, als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der frühere US-Präsident Biden bekannt gaben, dass ab dem Jahr 2026 neue US-Mittelstreckenraketen in Deutschland stationiert werden sollen?
Es gab keine Wahl, keine Volksbefragung, noch nicht einmal eine Bundestagsabstimmung. Dabei betreffen diese Raketen jeden Menschen in diesem Land. Sie sollen der NATO den Erstschlag gegen Russland ermöglichen – weil praktisch ohne Vorwarnzeit angegriffen werden kann. Dadurch verschwindet auch der Spielraum für mögliche Fehleinschätzungen. Die Stationierung macht die Bundesrepublik zum Ziel von atomaren Gegenschlägen – unabhängig davon, ob sie als Reaktion auf einen echten Angriff oder auf einen Radarfehler erfolgen.
Wenn die Raketen kommen, wird die deutsche Bevölkerung einer unkalkulierbaren Gefahr ausgesetzt. Die Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit werden missachtet, das Demokratie- und Friedensgebot mit Füßen getreten. Weil all das nicht nur wüste Kriegstreiberei ist, sondern auch gegen das Grundgesetz verstößt, haben der DKP-Vorsitzende Patrik Köbele, die Stellvertretende DKP-Vorsitzende Wera Richter und der Jurist Ralf Hohmann Verfassungsbeschwerde eingelegt.
Die juristische Gegenwehr hilft dabei, den Rechtsbruch zu dokumentieren. Doch entscheidend ist der Friedenskampf auf der Straße und in den Betrieben. Kein Kreuz im Wahllokal, nur eine starke Friedensbewegung, versammelt hinter dem Berliner Appell, kann die Raketen stoppen. Entsprechend gelassen können NATO und Kapital auf die kommenden Bundestagswahlen blicken. Da stört auch der Tanz nicht, den Leute wie Scholz oder Pistorius nun um ihre Vorstellung von Demokratie aufführen. Wenn sie sich dann in einigen Wochen in der GroKo oder Schwampel wiederfinden, weiter an der Hochrüstung drehen und Grundrechte beschneiden, um die Heimatfront zu schließen, dann wird es immer schwerer zu verbergen sein: Demokratie retten und gleichzeitig kriegstüchtig werden – das verträgt sich schlecht.