Karl Marx schrieb 1856, dass Britannien, sobald es „einen habgierigen Blick auf die Besitzungen eines beliebigen unabhängigen Herrschers oder auf ein Gebiet wirft, dessen politische und kommerzielle Hilfsquellen … begehrt werden“, und „das Opfer beschuldigt, irgendeinen angenommenen oder wirklichen Vertrag verletzt, ein imaginäres Versprechen gebrochen, eine Einschränkungsbestimmung überschritten oder irgendeinen nicht greifbaren Frevel begangen zu haben. Und dann wird der Krieg erklärt …“.
Marx hatte den Englisch-Persischen Krieg (1856/57) im Auge. Nicht treffender hätte er die gegenwärtige Politik der USA und ihrer britischen Komplizen im Nahen und Mittleren Osten charakterisieren können.
Der Iran (seit 1935 offizielle Landesbezeichnung für Persien) war in den letzten beiden Jahrhunderten ständig Gegenstand fremder Begierde, vor allem Großbritanniens, Russlands, Deutschlands, auch der osmanischen Herrscher und schließlich der USA.
Im Jahre 1901 hatte die persische Regierung dem Engländer d’Arcy die Konzession zur Gewinnung von Erdöl auf fünf Sechsteln ihres Territoriums gewährt. Die Konzession ging 1909 auf die Anglo-Persian Oil Company – seit 1935 Anglo-Iranian Oil Company (AIOC) – über. Die Interessen der mächtigen Erdölkonzerne bestimmten seitdem die Geschicke des ölreichen Landes ganz wesentlich.
Während beider Weltkriege war Iran von Truppen kriegführender Mächte besetzt (britischen, russischen, deutsch-osmanischen beziehungsweise britischen und sowjetischen). Die Antihitlerkoalition zwang 1941 den herrschenden Schah Reza Pahlevi wegen seiner profaschistischen Positionen zur Abdankung zugunsten seines jugendlichen Sohnes Mohammed Reza. (Diesen verjagte das iranische Volk als letzten Schah 1979 vom Pfauenthron.)
Nach dem Abzug der sowjetischen und britischen Truppen aus Iran im Jahr 1946 drängten die USA an die Stelle Großbritanniens als die alles bestimmende westliche Macht im Lande.
Washington inszenierte im August 1953 einen Putsch, stürzte den einzigen im Nahen Osten bis dahin demokratisch gewählten Premierminister Mohammed Mossadegh und brachte den vor dem Volkszorn geflohenen Schah Mohammed Reza Pahlevi wieder auf den Thron. Dieser blieb seitdem in den Augen vieler Iraner eine Marionette Amerikas. Praktisch alle Iraner hatten Mossadegh unterstützt, der bis heute eine ungebrochene Popularität genießt, setzte er doch 1951 die vom Volk geforderte Verstaatlichung der Erdölförderung Irans durch. Nach dem Putsch aufgezwungene Abkommen brachten die verstaatlichte Erdölindustrie erneut in koloniale Abhängigkeit amerikanischer, britischer, niederländischer und französischer Erdölkonzerne. 1955 wurde ein „Verteidigungsabkommen“ zwischen Iran und den USA abgeschlossen.
Das Schah-Regime war über Jahrzehnte ein zuverlässiger Verbündeter der USA. Noch 1977 nannte Carter Iran einen „stabilisierenden Faktor in der Welt“. Die große Mehrheit der Bevölkerung jedoch litt unter Armut, Inflation und Wohnungsmangel.
Eine relativ kleine Gruppe bereicherte sich maßlos, unter anderem durch unverhüllte Korruption. Immer mehr US-Amerikaner nahmen einflussreiche Positionen in Verwaltung, Wirtschaft und Armee ein. Ihre Zahl betrug schließlich, die Familienangehörigen inbegriffen, 40.000.
Bürgerliche und kleinbürgerliche Kräfte forderten ein als Demokratie verstandenes größeres Mitspracherecht und gerieten in Konflikt mit dem Schah-Regime, das jedes Aufbegehren brutal unterdrückte. Unzufriedenheit und Widerstand gegen das Regime erstarkten und umfassten bald außer der Clique um den Schah nahezu die ganze Bevölkerung. Da es keine legale politische Opposition gab, wurde der Islam zur Plattform der oppositionellen Kräfte und einigte sie. Ajatollah Ruhollah al-Musawi al-Chomeini wurde zu ihrem Führer.
Im Januar 1979 wurde der Schah durch die sich eruptiv entfaltende Massenbewegung vertrieben. Iran wurde „Islamische Republik“. Die Verfassung, die in einem Referendum im Dezember 1979 von der großen Mehrheit der Wähler gebilligt wurde, charakterisiert Iran als islamischen Staat, der den muslimischen Rechtsgelehrten anvertraut ist. In ihr sind die Verteidigung der politischen und ökonomischen Unabhängigkeit des Landes und die Befreiung von imperialistischer Beherrschung festgeschrieben. Deshalb rief die marxistische Tudeh-Partei dazu auf, für sie zu stimmen.
Dem gestürzten Schah gewährten die USA Asyl, und iranische Studenten besetzten die US-Botschaft in Teheran und nahmen 65 Botschaftsangehörige gefangen. Die USA versuchten, Iran mit Drohungen und Wirtschaftssanktionen einzuschüchtern. So stoppten sie die Ölimporte aus Iran und ließen die Guthaben der iranischen Regierung bei US-Banken in Höhe von acht Milliarden Dollar sperren. Ein militärisches Kommandounternehmen der Amerikaner im April 1980 zur Befreiung der Geiseln wurde zum Fiasko.
Der im September 1980 begonnene irakisch-iranische Krieg kam den USA gelegen. Der Krieg dauerte acht lange Jahre und kostete mehr als eine Million Iraner das Leben.
Dieser Artikel erschien zuerst im „RotFuchs“ Nummer 67 (August 2003). Wir danken den Herausgebern für die freundliche Genehmigung zum Abdruck.