Anti-IS-Bündnis hat Risse – Kurdische Fahnen über Kirkuk

Kampf um Mossul ist ein Kampf um Öl

Von Manfred Ziegler

Bevor im Oktober 2016 die irakische Offensive gegen den IS in Mossul begann, versuchten die USA und ihre Vertreter vor Ort, mögliche Konflikte zwischen den Beteiligten zu entschärfen. Türkische und kurdische Streitkräfte, schiitische Milizen und die irakische Armee sollten in einem Bündnis gemeinsam agieren, um den IS zu vertreiben und nicht die Situation ausnutzen, um eigene Interessen durchzusetzen.

Die Risse in diesem Bündnis sind nicht zu übersehen. Die Gebiete unter kurdischer Kontrolle haben sich vergrößert, die Frage der kurdischen Unabhängigkeit wird immer wieder gestellt und die Antworten aus Bagdad und Ankara bleiben nicht aus.

Der Außenminister der autonomen Region Kurdistan im Irak, Falah Mustafa, erklärte, diese Region sei bisher weder in den Irak integriert noch unabhängig, das Konstrukt sei gescheitert. Jetzt sei es an der Zeit, die Beziehungen zwischen Bagdad und der Regierung in Erbil neu zu definieren – gemeint ist, einen unabhängigen kurdischen Staat zu bilden. Ein Referendum über die Unabhängigkeit sei ein „ein natürliches, gottgegebenes Recht des Volkes in Kurdistan“, wie der Präsident der kurdischen Autonomieregion, Barzani, in einem Interview erklärte.

Doch davor warnte der irakische Ministerpräsident Haidar al-Abadi: Eine Abspaltung vom Irak würde den Kurden selbst schaden.

Die Stadt Kirkuk war bisher nicht Teil des autonomen kurdischen Gebietes. Dennoch beschloss das Regionalparlament von Kirkuk, auf öffentlichen Gebäuden neben irakischen auch kurdische Fahnen zu hissen und auch Kurdisch als Amtssprache zu verwenden. Beides trifft auf den Widerstand der türkischen Regierung – und des irakischen Parlaments. In einer Abstimmung sprachen sich außer den kurdischen Abgeordneten fast alle gegen dieses Vorgehen aus. Der Gouverneur von Kirkuk hält die Parlamentsentscheidung nicht für bindend.

Der neue Anlauf für eine kurdische Unabhängigkeit wird durch die Überzeugung gestärkt, die USA unter Präsident Trump und seinem Außenminister Tillerson, der zuvor Manager des Öl-Giganten ExxonMobil war, stünden dem positiv gegenüber. Und tatsächlich erklärte der Sprecher des US-Außenministeriums, die USA unterstützten einen einigen Irak. Aber Einheit und Gestaltung des Landes müsse schließlich von den ethnischen Gruppen im Irak selbst geklärt werden.

Bei all dem geht es wohl nicht so sehr um den „Traum von der kurdischen Unabhängigkeit“, wie der Außenminister der Autonomen Region Kurdistan im Irak Falah Mustafa erklärte, als vielmehr um Öl.

Die Stadt Kirkuk, in der jetzt kurdische Fahnen wehen, ist das Zentrum der irakischen Erdölindustrie. Und Mossul, wo der Kampf zwischen IS und seinen Gegnern tobt, hat wirtschaftliche Bedeutung wegen der reichen Ölfelder in der Umgebung und der Erdölraffinerien in der Stadt.

Der Kampf um Mossul ist ein Kampf um Öl, Macht und die zukünftige Gestaltung des Irak. Die katas­trophale humanitäre Situation – in den Medien überwiegend beschönigt – ist nicht nur das Ergebnis der Kampfhandlungen selbst, sondern auch der schon lange andauernden ethnischen und religiösen Konflikte.

Wenn der IS aus Mossul vertrieben ist, werden die Probleme des Irak nicht beendet sein. Nach wie vor herrschen ethnische Konflikte, Korruption und der Unwille zu Reformen.

Bereits jetzt gibt es Proteste wegen der Korruptionsvorwürfe gegen die Wahlkommission für die anstehenden Regionalwahlen. Tausende Demons­tranten der Sadr-Bewegung, ausgestattet mit irakischen Fahnen und zu den Klängen „panarabischer“ Musik, forderten einen Austausch der Wahlkommission. Mehrere Menschen wurden bei Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften verletzt

Al-Sadr selbst forderte auf der Kundgebung dazu auf, die Demonstrationen fortzuführen und gegebenenfalls die Wahlen zu boykottieren. Der irakische Ministerpräsident müsste Reformen umgehend einleiten. Diese Reformen sind schon seit Jahren versprochen.

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"Kampf um Mossul ist ein Kampf um Öl", UZ vom 7. April 2017



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