Kampf um die Köpfe

Kolumne von Andrej Hunko

Andrej Hunko

Andrej Hunko

Offenbar ist NATO- und EU-Strategen die Bevölkerung in Westeuropa zu wenig kriegsbegeistert. Während die Streitkräfte der NATO-Mitglieder ein Land nach dem nächsten ins Chaos stürzen, will bei den Menschen, deren Interessen sie vorgeblich verteidigen, nicht so recht Euphorie für die Kriegspolitik aufkommen. Seit Jahren ermitteln beispielsweise Umfrageinstitute in Deutschland klare Mehrheiten gegen die militarisierte Außenpolitik der Bundesregierung, an der diese jedoch eisern festhält.

Seit Anfang 2014 arbeitet deshalb unter anderem Stratcom, das NATO-Zentrum für strategische Kommunikation, daran, die Stimmung an der Heimatfront auf Linie zu bringen. Und auch die Bundeswehr rührt anlässlich ihres sechzigjährigen Bestehens fleißig und gut finanziert die Werbetrommel.

Auch die EU sieht sich offenbar in Not: Kürzlich konnten wir Pläne für ein „Strategisches Kommunikationsteam Ost“ aufdecken, welches der russischen Sicht auf die aktuellen Konflikte eine korrigierte EU-Sicht – in deren Sprachregelung nennt sich dies „positive Narrative und Kommunikationsprodukte“ – entgegenstellen soll.

Vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklungen dürfte die Kriegskonferenz am 21. November in Essen sein, bei der sich Experten von der Rüstungsindustrie finanziert über Kommunikationsstrategien austauschen werden.

Das erste Opfer eines jeden Krieges ist die Wahrheit, das ist bekannt. Und dass es NATO- und EU-Strategien weniger um die Wahrheitsfindung denn um die Schönfärberei der eigenen interessengeleiteten Interventionspolitik gehen dürfte, ist offenkundig. Denn insbesondere Deutschland ist dem in Nordrhein-Westfalen beheimateten „Joint Air Power Competence Centre“ (JAPCC) der NATO ein Dorn im Auge. Die hiesige Bevölkerung gilt als „problematischer Fall“, weil „pazifistische Auffassungen“ noch immer weit verbreitet sind, schreibt die Recherche-Plattform German Foreign Policy.

So ist die Schlussfolgerung klar: Es geht wie eh und je um den Kampf um die Köpfe. Denn auch die Uniformträger wissen, dass sich Kriege nicht allein militärisch gewinnen lassen. Ohne die Rückendeckung durch aktive Zustimmung und zumindest schweigende Duldung einer Mehrheit kann die Kriegsrhetorik jedoch wie ein Kartenhaus zusammenbrechen. Umso wichtiger ist es, eben hier anzusetzen und die vorhandenen Mehrheiten gegen die Kriegspolitik auch in politischen Widerstand umzuwandeln. Andernfalls werden sich die Kommunikationsstrategien der NATO durchsetzen.

Auch deswegen ist der Protest in Essen mit der Friedenskonferenz vom 20. bis 22. November und der Demo am 21. November so wichtig.

Unser Autor ist Mitglied des Deutschen Bundestags (Fraktion „Die Linke“)

und der Parlamentarischen Versammlung des Europarats

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"Kampf um die Köpfe", UZ vom 13. November 2015



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