In Syrien mehrt sich Widerstand gegen die SDF

Kampf um den Machterhalt

Mehrere arabische Stammesführer wurden Ende Juli und Anfang August im syrischen Deir-Ezzor von Unbekannten ermordet. In einer Erklärung forderte daraufhin eine weithin anerkannte Institution des Akidat-Stammes (ein sogenanntes Stammesgericht) von den Demokratischen Kräften Syriens (SDF) und der Internationalen Koalition gegen den IS Aufklärung der Vorfälle innerhalb eines Monats. Andernfalls drohe der Rückzug der jungen Leute des Stammes aus den SDF oder gar die Bildung einer eigenen Miliz. Seitdem kommt es vermehrt zu Protesten und Schießereien, zu einer Aufklärung kam es nicht.

Für die SDF ist der Fall klar: Verantwortlich für die Morde war der IS, die türkische Regierung oder die syrische Regierung. Jedenfalls nicht, wie gelegentlich von arabischer Seite kolportiert wird, die SDF selbst.

Doch sind die USA in Gestalt der Internationalen Koalition und die SDF als bewaffnete Macht, die das Gebiet kontrollieren, für die Sicherheit verantwortlich. Und daran fehlt es schon lange. Stattdessen gibt es immer wieder Razzien und Verhaftungen durch die Selbstverwaltung, die völlig außerhalb des Einflusses der lokalen Bevölkerung liegen.

Die „Stimme Amerikas“ (VOA), der offizielle staatliche Auslandssender der USA, beschreibt zwei Verhaftungswellen im Juni und Juli in Deir Ezzor. Hunderte Militante, die wirklich oder nur angeblich dem IS angehörten, wurden verhaftet oder getötet. Und „VOA“ zitiert den Experten eines Think-Tanks. Er beschreibt Probleme der Verwaltung des Teils von Deir Ezzor, der von den SDF geführt ist (ein anderer Teil der Provinz ist unter Regierungskontrolle). Die Verwaltung sei vom Missmanagement der SDF gekennzeichnet, die sich auf korrupte oder inkompetente Mitarbeiter stützt.

Misswirtschaft, Korruption und Vernichtung von Eigentum bei den Razzien – das sind die Themen von Protesten. So beispielsweise in der Stad al-Shaddadi, wo Anwohner Straßen sperrten, Reifenstapel abfackelten und Entschädigung verlangten für die Schäden, die sie durch Razzien erlitten. Bei einem Anschlag wurden hier zwei Mitglieder der SDF getötet.

Tatsächlich gibt es die Proteste in Deir Ezzor schon sehr lange und die Probleme liegen tiefer. Es geht um die Kontrolle über das Gebiet. In der Erklärung wegen des Mordes an den drei Stammesführern heißt es dazu, dass die arabische Komponente der Region ihre Gebiete selbst verwalten wolle, um Stabilität zu erreichen. Die Verhafteten müssten entlassen werden, die Situation in den Lagern al-Hol und Al-Arisha müsse gebessert werden.

Ungefähr 500.000 Menschen auf beiden Ufern des Euphrat gehören arabischen Stämmen an, einer Gruppe mit unsteten Loyalitäten, die nicht leicht zu ignorieren ist. Und so meldete das US-Außenministerium überraschend, dass der Sondergesandte Jeffrey vor seiner Reise in die Türkei und andere Länder in Deir Ezzor Station machte. Tatsächlich waren es etliche hochrangige US-Diplomaten und -Militärkommandeure, die sich mit ebenso hochrangigen Vertretern der SDF trafen. In der als kritisch angesehen Situation müssen die USA selbst eingreifen. Ob die Stammesvertreter, die bei dem Treffen anwesend waren, ihre Forderungen vorbringen konnten, ist nicht bekannt.

Die arabischen Stämme versuchen, ihre eigenen Interessen gegen die Selbstverwaltung durchzusetzen. Die Kontrollposten, Razzien und Verhaftungen im wirklichen oder vorgeblichen Kampf gegen die Reste des IS haben offenbar den Bogen überspannt. Wie weit die saudischen Militärberater oder die Vertreter der USA die Wogen glätten können, hängt wohl auch von ihren konkreten Angeboten ab.

Für die SDF geht es um mehr als nur die Auseinandersetzung mit Stammes­organisationen. Sie wollen auch den Einfluss der Regierung zurückdrängen, die in Teilen des Gebietes präsent ist. Schulen, Telekommunikationseinrichtungen, ja selbst Großbäckereien, die staatlich subventioniertes Brot herstellen, sind Ziel feindlicher Übernahme durch die SDF. Ganz im Sinne der Zusammenarbeit mit den USA.

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"Kampf um den Machterhalt", UZ vom 2. Oktober 2020



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