Auszug aus dem Referat von Olaf Harms auf der 4. Tagung des Parteivorstands der DKP
Seit 1993 wurde vom Kostendeckungsprinzip zu gedeckelten Budgets umgestellt und 2003/2004 wurden die DRGs/Fallpauschalen eingeführt. Folge war eine Zunahme defizitärer Krankenhäuser.
Die politisch gewollte und geförderte Ökonomisierung von Krankenhausleistungen hat Folgen, sowohl für die PatientInnen als auch für die Beschäftigten, mithin für weite Teile der Arbeiterklasse.
Die Steuerung des Gesundheitswesens, hier der Krankenhäuser, durch das Primat der Finanzen führt dazu, dass der ökonomisch rational handelt, der erstens möglichst wenig Kosten pro Fall produziert, denn dann ist der Gewinn am höchsten; zweitens möglichst viele Fälle behandelt, bei denen ein Gewinn sicher ist und drittens möglichst Fälle vermeidet, bei denen ein Verlust wahrscheinlich ist.
Patientinnen und Patienten werden Mittel zum Zweck; überspitzt ausgedrückt: der Mensch wird zum bloßen Objekt, zur Ware. Nicht der medizinisch notwendige Bedarf steht im Vordergrund, sondern das Ziel, Kosten zu reduzieren bzw. Profite zu erzielen. Das einzige Interesse besteht darin, die Patientinnen und Patienten entsprechend der geltenden Fallgruppen zu klassifizieren, entsprechend zu versorgen und pauschal abzurechnen. Das führt zwangsläufig zu kürzeren Krankenhausaufenthalten, oder mit anderen Worten ausgedrückt, zu blutigen Entlassungen. Die Fallpauschalen sind Basis für die Strukturierung aller Teilprozesse im Krankenhaus. Sie führen in Fällen mit hohem pflegerischen oder therapeutischen Betreuungsbedarf zu Unterversorgung, weil dieser in den Fallpauschalen kaum abgebildet wird. Sie führen zu einer Fehlversorgung aufgrund von medizinisch nicht indizierten Fallzahlsteigerungen bei Operationen.
Die Privatisierung von Krankenhäusern führt zu schlechteren Personalschlüsseln von Ärzten/Pflegepersonal zu Patienten bis hin zur Gefährdung einer wohnortnahen Versorgung, da nur die Krankenhäuser überlebensfähig sind, die Gewinne erwirtschaften. (…)
Mit den Kämpfen um Personalbemessung wird endlich gefragt, wieviel Personal für ein Gesundheitswesen notwendig ist, das für Patienten und Beschäftigte erforderlich ist – anstatt zu fragen, was sich rentiert. Ein wichtiger Schritt.
Diese Auseinandersetzung und vor allem ein Erfolg durch Tarifvereinbarungen über Personalbemessung kann Ausstrahlung auf viele andere Branchen haben. Die Frage nach Personalbemessung stellt sich doch auch dort.
In den Krankenhäusern ist es die Anzahl der Patientinnen und Patienten, für die eine Pflegekraft zuständig ist. Im Einzelhandel ist es die Fläche der Quadratmeter, die ein Verkäufer zu betreuen hat. In der Versicherung oder dem Finanzamt ist es die Anzahl der Akten, die zu bearbeiten sind. Im technischen Kundendienst ist es die Anzahl der Kunden, die zu betreuen sind. Die Beispiele ließen sich fortführen.
Wenn es also gelingt, den Kampf um Personalbemessung in den Krankenhäusern zu gewinnen, dann gibt es reale und gute Chancen, dieses Beispiel auch in anderen Branchen mit entsprechenden Tarifforderungen fortzuführen.
Neben der Arbeitszeit (Dauer der Ausbeutung) und dem Lohn (Höhe des Mehrwerts) können wir mit dem Thema der „Personalbemessung“ die Intensität der Ausbeutung beeinflussen. Und letztlich dazu beitragen, dass die Kolleginnen und Kollegen ihre Freizeit und letztlich ihren Ruhestand erreichen und genießen können. (…)
Mit den Ergebnissen in Essen, Düsseldorf und Homburg sind wirklich erste Schritte erreicht worden. Und dabei liegt die Betonung auf erste. Für uns als Kommunistinnen und Kommunisten ist klar, dass die Forderungen weitreichender sein müssten, aber das Bewusstsein der Arbeiterklasse dafür noch nicht weit genug ist. So ist nicht nur für eine Personalbemessung entsprechend des realen Bedarfes zu streiten, sondern die Ursachen müssen angegangen werden. Das bedeutet, dass die Fallpauschalen endlich der Vergangenheit angehören müssen und das nicht nur die weitere Privatisierung von Krankenhäusern gestoppt, sondern darüber hinaus auch die bereits privatisierten Krankenhäuser wieder in die öffentliche Daseinsvorsorge zurückgeholt werden müssen. Darüber hinaus ist insgesamt die Frage aufzuwerfen, ob nicht ein Gesundheitssystem, welches die Vorsorge und Verhinderung von Krankheiten in den Mittelpunkt rückt, besser ist als das jetzige, welches neben einigen Vorsorgeuntersuchungen „lediglich“ Krankheiten behandelt. Doch dazu bedarf es aus meiner Sicht einer grundlegenden Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Mit der Verknüpfung von tagesaktuellen Forderungen, wie der nach Personalbemessung, mit weit über dieses System hinaus reichenden Forderungen könnten wir Bewusstsein innerhalb der Arbeiterklasse für ein Gesellschaftssystem schaffen, in dem der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht der Profit. Und das ist der Sozialismus.