Falls die Ganztagesstreiks abgeblasen werden, hätte das fatale Auswirkungen

Kampf der Metaller auf der Kippe

Von chou

Auch zu Beginn der dritten Warnstreikwoche zeigen sich die Belegschaften in der Tarifrunde der IG Metall kampfbereit und die gute Beteiligung an den Warnstreiks hält an. Mittlerweile (Stand: 23. Januar) haben sich über 650 000 Metallerinnen und Metaller bundesweit an Aktionen, Kundgebungen und Warnstreiks beteiligt, allein in Baden-Württemberg über 210 000 Beschäftigte aus rund 550 Betrieben. Die Frühschlussaktionen bestimmen die Warnstreiks – allein am Freitag, dem 19. Januar konnten in Baden-Württemberg 21 000 Kolleginnen und Kollegen aus über 70 Betrieben nach den Kundgebungen bereits ihr verlängertes Wochenende genießen.

In Baden-Württemberg, dem Bezirk, der wohl den Pilotabschluss machen wird, findet am 24. Januar (nach Redaktionsschluss) die vierte Verhandlungsrunde statt. Bis dahin soll die in der dritten Verhandlungsrunde eingerichtete „Expertenkommission“ einen Lösungsvorschlag ausarbeiten. Zum Inhalt gab es noch keine Verlautbarungen. Wie aber aus unterschiedlichen Funktionärskreisen durchgesickert ist, sollen wohl die ganztägigen Warnstreiks, auch zusätzliche Eskalationsstufe genannt, nicht umgesetzt werden, obwohl sie seit Wochen angekündigt und betriebliche Vorbereitungen getroffen wurden. Und beim Thema Arbeitszeit soll es ein fauler Kompromiss sein. Dies wäre in vielfacher Hinsicht fatal und hätte zahlreiche negative Auswirkungen.

Hohe Beteiligung

Auf allen Warnstreikkundgebungen wurden die Kolleginnen und Kollegen „heiß“ gemacht. So kündigte Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg, bei der Daimler-Kundgebung am 18. Januar an, wenn sich Südwestmetall nicht bewege, müsse nach den gelben Karten (Warnstreiks) nun die rote Karte gezogen werden. Auch gab es auf den meisten Kundgebungen – wie bei Porsche in Zuffenhausen und bei Daimler in Untertürkheim – Abstimmungen über die Frage,ob die Kolleginnen und Kollegen bereit sind, ganze Tage zu streiken, was immer mit tosendem Beifall und tausenden Pfiffen befürwortet wurde. Dies zeigt, dass die Kolleginnen und Kollegen bereit sind, diesen Schritt mitzugehen. Er ist auch dringend notwendig, um ein anständiges Ergebnis zu erzielen. Denn bis jetzt war der Druck auf die Kapitalseite für ein diskussionswürdiges Angebot offensichtlich noch nicht groß genug.

Bei dem Thema Arbeitszeit bewegen sie sich gar nicht, außer dass sie der oben erwähnten Expertenkommission zugestimmt haben. Ziel der Metallkapitalisten ist nach wie vor, die Arbeitszeiten weiter zu flexibilisieren und auszudehnen. Das haben sie in den letzten zwei Jahrzehnten auch geschafft, weil die Gewerkschaften das Thema nicht auf ihrer Agenda hatten. Die Tatsache, dass die realen Arbeitszeiten ca. fünf Stunden über dem tariflich vereinbarten Niveau liegen, zeigt schon, wie wichtig ein gehöriger Druck ist, dass wir diesen Trend wieder in unserem Sinne umkehren.

Seit über 20 Jahren wäre dies die erste größere Auseinandersetzung um das Thema Arbeitszeit. Da darf die IG Metall nicht einknicken. Auch andere Gewerkschaften und die Medien schauen auf sie. Wenn die IG Metall hier nichts Positives für die Werktätigen erreicht, wird dies Folgen haben. Schwächere Gewerkschaften werden sich dann erst gar nicht trauen, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen. Die Arbeitszeitverkürzung wäre wieder für Jahre, vielleicht auch Jahrzehnte in der Versenkung und die Kapitalisten könnten weiter die Arbeitszeiten verlängern zu Gunsten ihrer Profite. Bei aller Kritik an der Forderung, die weder kollektive Arbeitszeitverkürzungen noch Entgelt- oder Personalausgleich vorsieht, muss doch zugestanden werden, dass sie die gesellschaftliche Debatte um Arbeitszeitverkürzungen ins Rollen gebracht hat.

Wenn jetzt die angekündigten und vorbereiteten Ganztagesstreiks abgeblasen würden, werden sich die Kollegen zu Recht verarscht vorkommen und wären in den folgenden Tarifrunden schwer zu mobilisieren. Auch die Funktionäre werden sich so fühlen, denn es ist bereits die zweite Tarifrunde, bei der Ganztagesstreiks in der Diskussion sind und betrieblich vorbereitet werden. Das Thema Arbeitszeit wäre für längere Zeit nicht wieder mobilisierbar. Das wäre dramatisch, planen doch mit der Digitalisierung und „Industrie 4.0“ die Kapitalisten einen Produktivitätsschub ein, der mit Personalabbau verbunden sein wird. Auffangen können wir dies nur mit kürzeren Arbeitszeiten.

Die Kapitalseite würde aus dieser Tarifrunde gestärkt hervorgehen und kann sich ungehindert noch mehr Lebenszeit der abhängig Beschäftigten aneignen. Die Glaubwürdigkeit der Gewerkschaften bekäme einen weiteren Riss, Mitglieder gingen verloren und die Kampfkraft nähme weiter ab. Streikerfahrungen könnten wieder nicht gesammelt werden. Bald ist die Generation mit Streikerfahrung komplett aus den Betrieben verschwunden.

Gefahr der Rechtsextremen

Mit einem miesen Ergebnis würden auch die Rechtsextremen gestärkt, die sich zur Zeit in den Betrieben breit machen. Allein in der Region Stuttgart treten die rechtsextremen Listen des „Zentrum Automobil“ zu den anstehenden Betriebsratswahlen im März an allen Daimler-Standorten an: in Untertürkheim, in der Zentrale und in Sindelfingen (vgl. UZ vom 5. 1. 2018). Bundesweit gibt es eine Offensive von AfD und Co., rechte Betriebsräte und braune Gewerkschaften aufzubauen. Die rechtsextremen Organisationen werden bei einem schlechten Tarifabschluss bei den Betriebsratswahlen ohne Ende absahnen.

Haben wir alle zusammen ein wachsames Auge, was in den nächsten Tagen passiert. Machen wir aus den Betrieben gehörig Druck, damit die IG Metall nicht einknickt, sondern mit ganztägigen Streiks das Potential nutzt, um ein gutes Ergebnis durchzusetzen.

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"Kampf der Metaller auf der Kippe", UZ vom 26. Januar 2018



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