Kalter Herbst

„Angst schweißt zusammen“, so überschrieb „Zeit Online“ die Berichterstattung über die „Konzertierte Aktion“. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am vergangenem Montag Spitzenvertreter von Arbeitgebern und Gewerkschaften ins Kanzleramt eingeladen, um die zu erwartenden Folgen der Preissteigerungen abzumildern. Wirtschaftsminister Robert Habeck, Finanzminister Christian Lindner und Arbeitsminister Hubertus Heil sollen dafür Maßnahmen entwickeln, die auch von den sogenannten Sozialpartnern getragen werden.

Am Samstag zuvor hatte Scholz den Bürgerinnen und Bürgern verkündet: „Wenn wir uns unterhaken und zusammenhalten, sind wir stark.“

Er beschwört damit eine gemeinsame Interessenlage, die es nicht gibt.
Die Kapitalseite weiß das und die ersten Konzerne stellen bereits ihre Forderungen. Uniper, der größte deutsche Importeur von russischem Erdgas, ruft nach Hilfen des Staates und veweist dabei auf die aus seiner Sicht erfolgreiche milliardenschwere Unterstützung der Lufthansa in der Corona-Pandemie. Nach Lesart der Grünen sind der Anlass die stark gestiegenen Gaspreise und die Reduzierung der Liefermengen aus Russland infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Von dem offensichtlich gescheiterten Wirtschaftskrieg der EU in Form der Sanktionspolitik gegen Russland ist dabei nicht die Rede.

„Die aktuelle Krise wird nicht in wenigen Monaten vorübergehen“, sagte Scholz zum Auftakt der Konzertierten Aktion. Damit hat er recht. Trotz hoher Preissteigerungen ist der Gipfel der Zumutungen für die arbeitenden Menschen und ihre Familien noch nicht erreicht. Die Energierechnungen kommen erst im Herbst auf den Tisch, die Rechnungen für die Hochrüstungspolitik werden auch erst später präsentiert.

Das Krisentreffen im Kanzleramt endete erst einmal ohne konkrete Ergebnisse, die Runde soll im Herbst wieder zusammenkommen. Das Ziel der Bundesregierung ist dabei, die Menschen auf ihre Politik einzuschwören und sie davon abzuhalten, vor dem zu erwarteten kalten Winter in einem heißen Herbst ihre Forderungen nach einer Friedenspolitik, angemessenen Lohnsteigerungen und einer warmen Bude in die Betriebe und auf die Straßen zu tragen.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Kalter Herbst", UZ vom 8. Juli 2022



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Flugzeug.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit