Wie Habecks Heizungsplan die Wärmewende sabotiert

Kalte Privatisierung

Kolumne

Inzwischen gibt es breite Kritik an Robert Habecks (Grüne) Entwurf für das Gebäudeenergiegesetz („Heizungsgesetz“). Selbst aus Regierungskreisen kommen Fragen und Einwände, werden Sondersitzungen anberaumt und Vorlagen verschoben. Jenseits dieser politischen Albereien fordern auch Wissenschaftler, das Gesetz aufzugeben. Der Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, warf der Regierung in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vor, sich im Klimaschutz „verheddert“ zu haben. Er empfahl „kurz durchzuatmen, einen Schritt zurückzutreten und einen neuen Anlauf für die Heizungswende zu nehmen“. Sein Vorschlag für diesen „neuen Anlauf“, nämlich die Verteuerung des Gasverbrauchs über den Emissionshandel, bringt auf der sozialen Ebene jedoch keinen Fortschritt. Dafür zeigt die bisherige Diskussion, wie weit sich diese Regierung und ihre bürgerlichen Kritiker schon von der Vorstellung verabschiedet haben, dass die Wärmeversorgung ein Recht ist und kein Privileg. Sie verstehen das Heizen ganz selbstverständlich als Privatsache und die Wahl der richtigen Wärmequelle als moralische Entscheidung. Gestritten wird nur noch über die Kosten und die Eignung der unterschiedlichen Zwangsmittel.

Mit der behaupteten Alternativlosigkeit dieses Weges wird den Menschen, die für die beträchtlichen ökologischen Zerstörungen der kapitalistischen Produktionsweise nichts können, ihr Wunsch nach einer warmen und bezahlbaren Wohnung vorgeworfen. Dabei liegt das Gegenmodell auf der Hand: Wärme muss als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge begriffen werden. Jahrzehntelang haben kommunale Stadtwerke Gasnetze betrieben und für Anschlüsse gesorgt. Wenn das Gesetz kommt, werden diese Netze entwertet. Das bringt auch die kommunalen Unternehmen in Schwierigkeiten, die für eine klimaverträgliche Wärmewende dringend gebraucht werden. Die könnte beispielsweise durch einen massiven Ausbau der Fernwärme gelingen.

In Dänemark, einem Land, das die Freunde des geplanten Gesetzes gerne als Beispiel nennen, weil dort Öl- und Gasheizungen im Neubau schon 2013 verboten wurden, sind in Wahrheit 65 Prozent der Haushalte an ein Fernwärmenetz angeschlossen. Die Wärmepumpe im eigenen Haus ist auch dort kein Ersatz für die kommunale Infrastruktur. Der planvolle Ausbau könnte Mieter und Hausbesitzer auch hierzulande entlasten, bezahlbare und verlässliche Wärme bieten. Die Daseinsvorsorge würde gestärkt, die Effizienz und Umweltverträglichkeit vorangebracht. Dass das nicht gewollt ist, zeigt sich schon daran, dass die geplante Gesetzgebung zu kommunalen Wärmeplänen erst Jahre nach dem „Heizungsgesetz“ greifen soll; also erst dann, wenn die Verwüstungen angerichtet sind.

Daran wird auch der „Heizgipfel“ nichts ändern, den Habeck am Dienstag (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe) durchführen wollte. Denn ein konsequenter Sinneswandel würde nicht nur die Aufgabe der bisherigen Verbotspläne, den Umstieg auf gesellschaftliche Planung und gewaltige Investitionen in öffentliche Strukturen mit sich bringen müssen. Anstelle des bisherigen LNG-Eiertanzes müsste auch die Inbetriebnahme der Pipelines nach Russland wieder auf die Tagesordnung kommen. Zum einen, weil der Bezug von Pipeline-Gas dem Anschiffen gefrackten Flüssiggases ökologisch jederzeit vorzuziehen ist. Zum anderen, weil diese Infrastruktur auch für spätere Wasserstoffnetze benötigt wird. Pläne für eine kooperative Umstellung gab es vor dem Wirtschaftskrieg sowohl auf deutscher als auch auf russischer Seite.

Das Gerede von 500.000 Wärmepumpen, die pro Jahr installiert werden sollen, freut Konzerne wie Rheinmetall. Mit einer echten Wärmewende im Sinne der Bevölkerung hat es nichts zu tun. Wenn sich der Staat zurückzieht und lebenswichtige Felder dem Marktgeschehen überlässt, dann leiden die Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen darunter. Das ist auf dem Wohnungsmarkt zu beobachten, beim Verkehr und bei der Gesundheitsversorgung. Das Aufbegehren gegen das gleiche Vorgehen bei der Wärmeversorgung ist weder irrational noch klimafeindlich, sondern dringend geboten.

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"Kalte Privatisierung", UZ vom 2. Juni 2023



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