Finanzierung des Militärs wird zur Priorität der neuen Regierung. Die Abkehr von der „Schuldenbremse“ ist nur der Anfang

Kahlschlag, Steuern, Kriegskredite

Die SPD ziert sich, die Jusos mucken auf, die künftige Opposition bietet eine konstruktive Zusammenarbeit an. Es sind die üblichen parteipolitischen Spielchen, die die kommenden Wochen begleiten werden. Das politische Programm der neuen Regierung stand hingegen schon vor der Wahl fest. Dafür, dass Friedrich Merz (CDU), Lars Klingbeil (SPD) und ihre Mitstreiter nicht vergessen, worum es geht, sorgen die NATO-Lobbyisten von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in der neuesten Ausgabe ihrer als Zeitschrift getarnten Predigtsammlung „Internationale Politik“ (IP).

Unter dem Leitsatz: „Was vermutlich nicht im Koalitionsvertrag stehen wird, obwohl es dringend drinstehen müsste“, kümmert sich der Politikwissenschaftler Jan Techau um den für die „Zeitenwende“ notwendigen „Mentalitätswandel“. Es müsse Schluss sein mit der deutschen Zurückhaltung in der internationalen Politik, das gelte es auch nach innen zu kommunizieren. Die „notwendigen Entscheidungen“ müssten „aus der existenziellen Bedrohung Deutschlands, der Brutalität des globalen Machtspiels und dem Übelwollen fremder Mächte heraus“ erklärt werden. Dafür soll jedoch zunächst die Angst überwunden werden, genauer: die „Angst vor den eigenen guten Absichten“. Diese sei nämlich die „heute hauptsächlich wirksame Spätfolge der deutschen Naziverbrechen“. Durch die historische Erfahrung, „seine ganze eigene Kraft verblendet in den Dienst des größten Menschheitsverbrechens gestellt zu haben“, sei die Überzeugung erschüttert, „am Ende des Tages auch wirklich zu den Guten zu gehören“. Übersetzt heißt das: 27 Millionen ermordete Sowjetbürger dürfen den neuen Ambitionen des deutschen Imperialismus nicht im Wege stehen. Schließlich sei „strategisch und historisch geboten“, dass Moskau den Krieg verliert.

Aber von nix kommt nix, das weiß auch Techau. Deswegen fordert er eine „Akzeptanz der Kosten“. Die neue Regierung müsse „dramatische Haushaltsentscheidungen“ treffen. Das ist längst kein Geheimnis mehr. Nicht nur die Hochrüstungspläne, auch die Fortsetzung des Wirtschaftskriegs gegen Russland sowie die gewünschte Fortsetzung des Stellvertreterkriegs in der Ukraine kosten in den kommenden Jahren unvorstellbare Summen. An einer Öffnung der Schuldenbremse oder zumindest an der Einrichtung von weiteren „Sondervermögen“ kommt die neue Regierung nicht vorbei – selbst dann nicht, wenn es zu einem umfassenden Kahlschlag bei den Sozialausgaben kommt. Für die gewünschte „Kriegsfähigkeit“ braucht es beides und noch mehr. Das zeigt sich auch in den Bemühungen von CDU, SPD und Grünen, die zur Kriegsfinanzierung benötigte Grundgesetzänderung noch vor der Konstituierung des neuen Bundestags durchzuziehen. Danach wären sie auf Unterstützung von „Linken“ oder AfD angewiesen, um die notwendige Zweidrittelmehrheit zusammenzubekommen.

Die Dimensionen werden deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass die Militärausgaben in den kommenden Jahren massiv ansteigen. Selbst wenn die Bundesrepublik auf das Wahnsinnsvorhaben verzichten sollte, 3,5 bis 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Rüstung auszugeben, fressen die Folgekosten der bisherigen Militarisierung den Bundeshaushalt auf.

Wie es dazu kommt, rechnet Bundeswehrprofessor Carlo Masala in seinem neuesten IP-Beitrag vor. Für das Jahr 2025 sei eine Milliarde Euro für den Kauf von vier neuen U-Booten vorgesehen. Diese werden den Bund in den nächsten Jahren jedoch „noch weitere drei bis vier Milliarden kosten“. Masala gibt die Daumenregel aus, „dass für die 100 Milliarden Euro mittels Verpflichtungsermächtigungen Dinge angeschafft werden sollen, die in den folgenden Jahren nochmal circa 200 Milliarden Euro Folgekosten erzeugen“. Dann ist man aber immer noch nicht bei der „kriegsfähigen Bundeswehr“, ohne die sich Deutschland laut Masala „aus dem Kreis relevanter Staaten des Westens“ verabschiede.

Um das Geld zu beschaffen, schlägt der Kriegstüchtigkeitsprofessor gleich drei Modelle vor: Umverteilung der Mittel im Haushalt, Ausnahmen von der Schuldenbremse und die Einführung eines „Solidaritätszuschlages für Verteidigung“. Dieser soll von allen in Deutschland arbeitenden Menschen über die Einkommensteuer entrichtet werden. Masala schreibt von 1 bis 1,5 Prozent vor und macht deutlich, dass es nicht um „die Entscheidung für eines der drei Modelle“ gehe: „Vorstellbar ist auch eine Kombination aus allen dreien oder von zweien.“

Damit ist ein Teil der Agenda umrissen, für deren Umsetzung die kommende Regierung zu sorgen hat. In dieser Situation ist es schon eine grandiose Augenwischerei, wenn etwa „Die Linke“ erklärt, an einer Reform der Schuldenbremse mitarbeiten zu wollen, aber keine Aufrüstung zu unterstützen. Das ändert sich auch nicht dadurch, dass die Abschaffung der Schuldenbremse stets eine richtige, linke Forderung war – handelte es sich doch um eine Investitionsbremse, eine Bremse für den Sozialstaat und für bessere Löhne im öffentlichen Dienst. Sie wurde benötigt, um den neoliberalen Kürzungswahn zu begründen. Doch diese Funktion verliert in der aufziehenden Kriegswirtschaft an Bedeutung, kommt der Kahlschlag doch zusammen mit der neuen Staatsverschuldung, begründet durch das „Übelwollen fremder Mächte“.

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"Kahlschlag, Steuern, Kriegskredite", UZ vom 28. Februar 2025



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