Die Stahlarbeiter im Saarland haben „die Schnauze voll“ von Lippenbekenntnissen. Die Landesregierung übt sich weiter in Hilflosigkeit und zeigt nach Berlin und Brüssel. Der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier will den sogenannten EU-Wirtschaftsministerrat, ein informelles Gremium, für die zweite Jahreshälfte 2020 ins Saarland einladen. Mit den Konzernchefs der Stahlindustrie will er ein „Konzeptpapier“ erarbeiten. Ob die sozialen Interessen der Stahlarbeiter in Verbindung mit dem ökologischen Umbau dabei berücksichtigt werden, ist mehr als fraglich.
Inzwischen treiben die Unternehmensspitzen in bekannter kapitalistischer Manier den Personal- und Sozialabbau weiter. Die Geschäftsführung von Saarstahl/Dillinger hält an ihren Plänen fest, bis September 1.500 Arbeitsplätze abzubauen und 1.000 auszulagern. Entgegen einer gültigen Betriebsvereinbarung will sie eigene Beschäftigte durch Leiharbeiter ersetzen. Der Betriebsrat erkennt darin eine massive Lohnkürzung und protestiert aufs Schärfste gegen den Bruch von Tarifvertrag und Betriebsvereinbarungen.
Die Herausforderungen für die Zukunft der Stahlindustrie sind vielfältig. Das „Totschlagargument“ der sogenannten Dumpingimporte aus China, Indien und anderen Ländern, das oft als Begründung für die Stahlkrise und den „notwendigen“ Sparkurs in den Betrieben dient, reicht nicht aus. Schon vor Jahrzehnten, lange bevor die neuen Player auf den Weltmarkt kamen, wurden im Saarland Stahlbetriebe und Hochöfen stillgelegt. Die Überkapazitäten der Stahlproduktion werden Jahr für Jahr erhöht, der kapitalistische Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt wird härter, die Profite der monopolistischen Stahlverbraucher steigen. Die Stahlarbeiter müssen an mehreren Fronten kämpfen.
Im Saarland brennt es an allen Ecken und Enden. Auch die Automobilindustrie befindet sich weltweit in einer Überproduktionskrise. Die Zukunft des Fordwerkes in Saarlouis ist unsicher. Die Strategie des US-Konzerns, wie er den ökologischen Umbau ernsthaft angehen will, ist unklar. 1.600 Arbeitsplätze wurden im vorigen Jahr vernichtet.
Die Krise in der Automobilindustrie zieht die Zulieferindustrie in den Abwärtssog. Jeder zweite Autozulieferer plant in diesem Jahr einen Stellenabbau. Als drittgrößter Autozuliefererstandort in Deutschland ist das Saarland besonders betroffen. Das krasseste Beispiel dafür und für kapitalistisches Raubrittertum sind die insolventen Gusswerke Saarbrücken, ehemals Halberg-Guss. Ein Investor soll zwar bereitstehen, aber die Großkunden aus der Autoindustrie ordern keine Aufträge. Von den 1.500 Arbeitsplätzen sind noch 400 übriggeblieben. Ende März droht ihnen das endgültige Aus.
Schon jetzt wirken die Krisen heftig auf den Arbeitsmarkt im Saarland. Die Arbeitslosenzahlen sind vom Dezember 2019 bis Januar 2020 um 2.200 und gegenüber dem Vorjahr um 7 Prozent gestiegen. Diese Arbeitslosen kommen überwiegend aus dem verarbeitenden Gewerbe; das sind meist die „besser bezahlten“ Jobs in der Industrie. Bereits 2019 sind die Insolvenzen im Saarland im Gegensatz zum Bundesgebiet um über 8 Prozent angestiegen.
Angesichts der zugespitzten „Industriekrise“ (Stahl, Automobil, Zulieferer und teilweise Maschinenbau) im Saarland und der akuten Bedrohung von mindestens 10.000 Arbeitsplätzen in dem kleinen Bundesland müssen bei der Landesregierung und den sie tragenden Parteien die Alarmglocken läuten. Ihr Credo „letztlich entscheidet der Markt“ hat in die Krise geführt, verschärft und beschleunigt sie. Im Fall von Halberg Guss zum Beispiel hat die Groko-Regierung im Saarland mit diesem Hinweis Forderungen nach Übernahme des Unternehmens auch nur in Form einer Sperrminorität zurückgewiesen.
Wer die De-Industrialisierung wirklich verhindern, den Kern der Stahlindustrie und die Industriearbeitsplätze erhalten will, muss sich von neoliberalen Denk- und Handlungsweisen verabschieden. Solange die Landesregierung daran festhält, ist von ihr nichts zu erwarten. Ohne Druck der Gewerkschaften und Belegschaften schon gar nicht.
Die DKP Saarland fordert aktuell einen „Schutzschirm für alle Arbeitsplätze“ auf der Grundlage der Landesverfassung („Recht auf Arbeit“), für dessen Umsetzung und Finanzierung die Unternehmen herangezogen werden müssen. Notwendig ist die Umsetzung der Forderungen von Betriebsräten und der IG Metall nach EU-Importregelungen für Stahl nach sozialen und ökologischen Kriterien.
Notwendig sind Ansätze, die den gesellschaftlichen Bedürfnissen den Vorrang vor Profitinteressen einräumen. Dazu gehört, Gewinne und Vermögen umzuverteilen und Mittel für Investitionen in den sozial-ökologischen Umbau zu generieren.