* Name von der Redaktion geändert
Die Bundeswehr wirbt nicht nur um neues Kanonenfutter, sondern auch um Auszubildende im „zivilen Bereich“. Daniel Sauer* machte eine Lehre als Tischler bei der Bundeswehr. Langeweile, Schwarzarbeit und rechtes Gedankengut begleiteten seinen Alltag. UZ sprach mit ihm über seine Erfahrungen.
UZ: Wo warst du bei der Bundeswehr?
Daniel Sauer: Ich war von 2014 bis 2017 in einer zivilen Ausbildung zum Tischler beim Kommando Heer. Dort habe ich meine dreijährige Ausbildung gemacht und im Anschluss war ich noch drei Monate dort. Ich hatte mit der militärischen Laufbahn nichts zu tun.
UZ: Was waren die Gründe für dich, nicht bei der Bundeswehr zu bleiben?
Daniel Sauer: Man hat bei der Bundeswehr im zivilen Bereich einen recht entspannten Job, denn man steht nicht so unter Leistungsdruck wie in der „freien“ Wirtschaft. Was mich daran gehindert hat, dazubleiben, war letztendlich das Umfeld. Man arbeitet sich nicht den Rücken krumm, aber man hat mit einem bestimmten Menschenschlag zu tun.
UZ. Wie würdest du ihn beschreiben?
Daniel Sauer: Ein Bürgerlicher würde im „wertkonservative Menschen“ nennen. Ich würde sagen, es ist durchweg viel rechtes Publikum, was da unterwegs ist. Man hört auf der Arbeit und vor allem am Frühstückstisch sehr viele rechte Aussagen, teils rassistische, viele sexistische Aussagen, von einigen Personen auch antisemitische Aussagen.
UZ: Kannst du da Beispiele nennen?
Daniel Sauer: Menschen werden als „Bimbos“ oder „Babutis“ bezeichnet. Es wird viel über weibliche Kolleginnen in sehr sexualisierter Form gesprochen, nach dem Motto: „Hey, die Alte, die will ich auch mal knallen, die ist schon geil.“ Das Antisemitische, was mir untergekommen ist, war, dass ein Kollege gesagt hat: „Juden sind ein schlechtes Volk. Ich bin froh, dass hier keine mehr wohnen.“ Ich habe ihn darauf angesprochen. Das war dann ein sehr wütendes Gespräch. So was häuft sich, teilweise bei den Auszubildenden, aber auch bei den Altgesellen.
UZ: Gab es neben dem besonderen Menschenschlag noch Gründe für dich, warum die Bundeswehr nicht der ideale Arbeitgeber ist?
Daniel Sauer: Man kommt zwangsläufig mit den Soldatinnen und Soldaten in Kontakt und muss mit denen zusammen agieren. Das sind teilweise auf privater Ebene ganz nette Leute, aber mit sehr sonderbaren Einstellungen.
UZ: Wie sehen die aus?
Daniel Sauer: Im Prinzip spiegelt sich das wieder, was man in der zivilen Schiene von den Leuten hört. Ich habe eine Zeitlang in der Kaserne gewohnt, und es ist schon so, dass man häufig schwarz-weiß-rote Fahnen und Ähnliches in den Stuben und an Fenstern hängen sieht. Als Mensch mit einer antifaschistischen Grundhaltung – die sich aber erst bei der Bundeswehr so wirklich gebildet hat – fühlt man sich irgendwie unwohl.
Man merkt den Leuten an, wenn sie lange bei der Bundeswehr waren – gerade im zivilen Bereich. Die Menschen machen einen sehr plumpen Eindruck, was auch an der Anspruchslosigkeit der Arbeit und an der Frustration in der Arbeit liegt. Alles ist von Bürokratie geprägt, mit drei Formularen abgesegnet. In den Pausenräumen läuft viel RTL und die „Bild“ wird gelesen.
Das war letztendlich nicht das Umfeld, wo ich längerfristig arbeiten und einen Umgang pflegen möchte. Obwohl ich einen Anspruch auf Übernahme gehabt hätte, weil ich in den Jugend-und-Auszubildenden-Vertretungen war.
UZ: Wie sah dein Alltag während deiner Ausbildung aus?
Daniel Sauer: Ich hatte das Glück, dass ich mit meinem Ausbilder ganz gut klar kam. Mit dem konnte man vernünftig reden. Der hat zwar immer das „Handelsblatt“ gelesen, aber war noch recht zurechnungsfähig.
Man traf sich morgens und hat erst mal Kaffee im Pausenraum getrunken. Dann ist man so langsam auf die Arbeit gegangen. Während meiner Ausbildung hat er mir immer die Wahl gelassen, was ich in den nächsten Monaten machen möchte. Wir haben immer geguckt, dass wir den Ausbildungsplan einhalten und dass die Inhalte vermittelt werden. Dementsprechend hatte ich mehr Glück als an anderen Dienststellen.
UZ: Warum Glück gehabt?
Daniel Sauer: Zum Beipiel die Kfz-Azubis hatten immer das Problem, dass sie größtenteils Bundeswehrfahrzeuge da hatten. Das reicht für eine Ausbildung im Kfz-Bereich schlicht und einfach nicht aus, wenn man später in die Wirtschaft wechseln will. Man hat keine Ahnung, wie ein BMW oder was auch immer, funktioniert. Es gab zwar Fahrzeuge, die von den Herstellern als Lehrfahrzeuge gestellt wurden, da haben aber viele Ausbilder gesagt: „Nee, wenn wir jetzt die jungen Azubis an die neuen Autos lassen, dann gehen die am Ende noch kaputt.“ Also vollkommen an der Sache vorbei. Deshalb gab es bei denen Praktika, die die machen mussten, wo sie zu VW oder BMW geschickt wurden.
Aber es kamen auch Privatleute an, die ihre Autos abgegeben haben, und die Azubis reparierten sie zusammen mit den Ausbildern. Ich war ja Tischler, das bedeutet, wir haben viel für Privatleute gemacht, Schränke restauriert oder zum Beispiel Gartentore und Fenster gebaut.
UZ: Als offizielle Tätigkeit seitens der Bundeswehr oder schwarz?
Daniel Sauer: Es ist bei der Bundeswehr eigentlich nicht möglich, dass Privatleute da ihren Kram hinbringen und den reparieren oder neu machen lassen. Dementsprechend würde ich das eher als Schwarzarbeit bezeichnen. Es gab keine Rechnung, sondern die „Kaffeekasse“. Mein Ausbilder hat sich daran nicht beteiligt, aber unter den Leuten, die da was haben reinwerfen lassen, wurde die Kaffeekasse dann am Jahresende aufgeteilt.
UZ: Die Auszubildenden haben davon aber nichts bekommen, oder doch?
Daniel Sauer: Als ich davon erfahren habe, dass es diese Kaffeekasse gibt, bin ich hingegangen und habe nachgefragt. Offensichtlich floss irgendwo Geld für etwas, das ich gemacht habe, wovon ich nichts wusste und nicht mal was von sehe. Bei den Azubis im Kfz-Bereich war es häufig so, dass ein Kasten Bier vorbeigebracht oder in den Kofferraum gestellt wurde. So wurde das dann häufig abgerechnet. Es gab auch welche, die haben gesagt: „Leg das dahin, ich mache dir das später fertig. Brauchst mir nichts dafür zu geben.“
UZ: Bekamt ihr Aufträge nur von Bundeswehrangehörigen oder auch von Leuten aus dem nächsten Ort?
Daniel Sauer: Wie ich es mitbekommen habe, waren das ausschließlich Bundeswehrangehörige. Aber an den Standorten hat jeder Kontakt zur Bundeswehr, weil die Kasernen im Ort ein tragender Faktor sind. Der ganze Ort hängt da mit dran. Ich weiß nicht, ob auch was von Freunden und so weiter mitgebracht wurde.
Wir haben auch viel für Offiziersstuben gearbeitet, wenn denen das Bundeswehrequipment nicht mehr ausgereicht hat oder zu langweilig war. Eigentlich vollkommen überflüssig, aber irgendwie muss man die Tätigkeiten erlernen. Wir sind zu Bundeswehrangehörigen aber auch nach Hause gefahren und haben da zum Beispiel Treppen restauriert. Sonst hätte ich nicht gelernt, wie man eine Treppe baut. Anders ist das in einer Ausbildungswerkstatt bei der Bundeswehr schlecht möglich.
UZ: Wie sah es in den drei Monaten aus nach deiner Ausbildung? Gab es da genug Aufträge vom Standort oder auch private Arbeiten?
Daniel Sauer: Es gab private Arbeiten, aber keine dienstlichen Aufträge. Da saß ich viel rum und habe mich mit den Leuten unterhalten oder Arbeiten für die Jugend-und-Auszubildenden-Vertretungen gemacht. In der Zeit habe ich aber kaum Zeit in der Kaserne verbracht, weil ich noch eine ganze Menge Bildungsurlaub übrig hatte und den dann in Anspruch nahm. Sonst hätte ich jeden Tag vier, fünf Stunden in der Gegend rumgesessen.
UZ: Wie bist du darauf gekommen, eine Schreinerlehre bei der Bundeswehr zu machen?
Daniel Sauer: Ich wollte eigentlich Lehramt studieren. Die wollten mich aber nicht. Dann habe ich Zeitarbeit gemacht und einen Ausbildungsplatz gesucht. Bei der „Agentur für Arbeit“ habe ich einen halbstündigen Test gemacht, um meine Interessen abzufragen. Daraufhin wurde mir entweder Banker, Gleisbauer oder Tischler bei der Bundeswehr vorgeschlagen.
UZ: Das ist ja mal eine Auswahl!
Daniel Sauer: Ja, Banker wollte ich auf keinen Fall werden. Gleisbauer müssen draußen auch im Regen arbeiten, darauf hatte ich keine Lust. So habe ich mich bei der Bundeswehr beworben. Es gibt immer recht viele Bewerber auf die Ausbildungsplätze bei der Bundeswehr, weil die überdurchschnittlich bezahlen. Die Bundeswehr hat mich damals nicht abgeschreckt, weil ich mich damals nicht als linker Mensch bezeichnet, sondern irgendwo in der bürgerlichen Mitte.
UZ: Die Bundeswehr hat dich links gemacht?
Daniel Sauer: Ja, das glaube ich tatsächlich. Eines Tages kam der Feldwebel, der den Ausbildungsbereich betreut hat, und sagte, dass demnächst Personalratswahlen sind. Er erklärte uns, was das und eine JAV ist. Das hat mich interessiert, was da so abläuft, und ich habe kandidiert. Der Feldwebel hat uns dann alle in den „Bundeswehrverband“ gelotst und meinte, das sei so was wie eine Gewerkschaft. ver.di habe sich auf seine Anfrage nicht gemeldet. Ich habe den ver.di-Jugendsekretär später kennengelernt. Der wusste nichts von so einer Anfrage.
Nachdem ich gewählt worden war, bin ich auf meine erste JAV-Versammlung von der Bezirks-Jugend-und-Auszubildenden-Vertretung Kommando Heer gegangen. Dort sagte die Vorsitzende, dass wir alle erst mal ein JAV-Seminar von ver.di besuchen.
Später habe ich dann weitere Gewerkschaftsseminare besucht und gleichzeitig gemerkt, dass der Bundeswehrverband nichts für seine Mitglieder tut. Heute bin ich bei ver.di ehrenamtlich aktiv, auch wenn ich jetzt studiere.
UZ: Von der Bundeswehr über die Gewerkschaft in die DKP – heute leider kein üblicher Werdegang.
Daniel Sauer: Ja, leider nicht. Ich habe mich auf den Gewerkschaftsseminaren mit verschiedenen Leuten unterhalten und einer von denen sagte, ich sollte doch mal zur Linkspartei gehen. Das habe ich gemacht und bin tatsächlich auch in die Linkspartei eingetreten, während meiner Zeit bei der Bundeswehr. Aber ich hatte irgendwann das Gefühl, sie meinen es nicht ernst. In der örtlichen ver.di-Jugend hatte ich bereits einen Genossen von der SDAJ kennengelernt und bei der Gewerkschaft schon einen Crashkurs „Marxismus und Mehrwerttheorie“ gemacht. Ich bin dann ein paar Mal auf den SDAJ-Gruppenabend mit und bin da so reingerutscht. Das hat sich sehr positiv entwickelt, würde ich sagen.
Das Gespräch führte Christoph Hentschel