Weit über 2 000 Kolleginnen und Kollegen aus dem ganzen Bundesgebiet folgten am 5. Juni dem Aufruf der Gewerkschaft ver.di zu einer Demonstration und Kundgebung unter dem Motto „Mehr von uns ist besser für alle!“ in Leipzig. Anlass war die Konferenz der Gesundheitsminister der Länder. Die Beschäftigten aus dem Gesundheitswesen unterstützen die Kernforderungen der Gewerkschaft ver.di nach gesetzlichen Vorgaben für die Personalausstattung, Sofortprogrammen zur kurzfristigen Entlastung der Beschäftigten, einen bundesweiten Tarifvertrag Altenpflege, einem Ende der Tarifflucht bei Tochtergesellschaften sowie einer Abkehr von befristeten Arbeitsverträgen und erzwungenen Teilzeitverträgen.
Im Vorfeld der Demonstration hatte Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand, die gemeinsamen Interessen aller Beschäftigten in der Pflege hervorgehoben: „Die Beschäftigten in allen Berufsgruppen brauchen für ihre verantwortungsvolle und oft belastende Arbeit gute Bedingungen und eine faire Bezahlung, egal, ob sie in der Klinik, im Pflegeheim oder im ambulanten Dienst arbeiten.“
„Die Stimmung war kämpferisch und kompromisslos. Die Kollegen waren gut drauf mit vielen originellen Einfällen. Herr Spahn war wie immer ziemlich dümmlich und ziemlich überheblich. Er versuchte tatsächlich, die Gewerkschaft vor seinen Karren zu spannen. Das Pfeif- und Buh-Konzert sprach an dieser Stelle für sich“, sagte Herbert Münchow von der DKP Leipzig der UZ. „Die Berichte der Kollegen aus den Ländern waren höchst aufschlussreich, auch die Berichte über die Zwangsverkammerung der Pflegekräfte. Spahn musste durch die Spießrutengasse der langen Unterschriftenliste des „Olympischen Briefes“ unter dem Forderungskatalog der Kollegen laufen, um auf die Bühne zu gelangen.“ Der „Olympische Brief“, den zehntausende Pflegekräfte, Hebammen, Therapeuten, Reinigungskräfte, Ärztinnen und Ärzte und viele andere unterschrieben haben, ist fast 500 Meter lang geworden. Er hat in 14 Bundesländern, 80 Städten und über 100 Krankenhäusern Station gemacht und die Forderungen der Kolleginnen und Kollegen aus der Pflege auf den Punkt gebracht: „Wir haben es satt, ausgenutzt und verheizt zu werden!“
Wie im vergangenen Jahr aus gleichem Anlass in Düsseldorf bekam Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Möglichkeit, auf der ver.di-Bühne zu den Kolleginnen und Kollegen zu sprechen. Der Minister erläuterte, dass die ver.di-Forderung nach Herausnahme der Pflegepersonalkosten aus den Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, DRG) beschlossene Sache sei und ab dem 1. Januar 2020 umgesetzt werden soll. Das sei die größte Veränderung in der Fallpauschalensystematik seit über 20 Jahren. Auch mit der vollen Refinanzierung zusätzlicher Pflegestellen und von Tariferhöhungen habe die Bundesregierungen Verbesserungen eingeleitet.
Die Kolleginnen und Kollegen reagierten allerdings mit gellenden Pfiffen und machten immer wieder deutlich, dass ihre Geduld längst aufgebraucht ist. In Sprechchören teilten sie mit, dass das nicht reiche und skandierten auch das Motto der Demo: „Mehr von uns ist besser für alle“.
„Wir haben die Politik in Bewegung gebracht“, bilanzierte die Leiterin des Bereichs Gesundheitspolitik beim ver.di-Bundesvorstand, Grit Genster. „Die Fallpauschalen sind zumindest angebohrt. Doch es muss weitergehen: Die DRGs gehören ganz abgeschafft.“ Den Verweis auf den Fachkräftemangel in der Pflege ließ die Gewerkschafterin nicht als Ausflucht gelten. Mit angemessener Bezahlung nach Tarif, bedarfsgerechten Personalstandards und besseren Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen lasse sich die Attraktivität der Pflegeberufe durchaus steigern.