m April war der 80. Todestag von Antonio Gramscis. Es wird auch weiter immer Anlässe geben, sich des großen italienischen Theoretikers der kommunistischen Weltbewegung zu erinnern. Seine nach dem Machtantritt Mussolinis 1922 erarbeitete antifaschistische Bündniskonzeption blieb keine Theorie, sondern wurde lebendige Praxis. Zu den Antifaschisten, die sie verwirklichten, gehörten die 1899 bzw. 1900 geborenen Brüder Carlo und Nello Rosselli, Söhne einer jüdischen Familie aus Florenz, die eigentlich Sabatino hieß. Carlo hatte in Italien Politik- und Rechtswissenschaften studiert, Nello Geschichte.
Die Ermordung des Sozialistenführers Giacomo Matteotti 1924 durch Mussolini, die die danach benannte Matteottikrise des Faschismus auslöste, war für die Brüder Anlass, sich dem antifaschistischen Widerstand anzuschließen.1927 organisierten sie mit dem späteren Vorsitzenden der Sozialistischen Partei (ISP), Sandro Pertini, während des Befreiungskrieges gegen das Besatzungsregime der Hitlerwehrmacht 1943–45 einer der beiden gleichberechtigten Befehlshaber der Partisanenarmee (der andere war Luigi Longo von der IKP, während der Verteidigung der Spanischen Republik 1937–39 als Divisionsgeneral Generalinspekteur aller Interbrigaden) und Ferrucio Parri, einem früheren Journalisten des Mailänder „Corriere dela Sera“, die Flucht des Mitbegründers und Führers der ISP Filippo Turati nach Frankreich. Dabei wurden beide verhaftet. Nello erhielt zehn Monate Gefängnis, Carlo wurde auf der Strafinsel Lipari inhaftiert, von wo aus ihm 1929 die Flucht nach Frankreich gelang.
In Paris gehörte Carlo 1930 mit den Sozialisten Gaetano Salvemini und Ciana Tarchiani zu den Gründern der antifaschistischen Widerstandsgruppe Giustizia e Libertà (Gerechtigkeit und Freiheit), die ihn zum Leiter wählte. In ihrem gleichnamigen Journal verbreitete die Gruppe in Italien die Losung „Non vinceremo in un giorno, ma vinceremo“ (wir werden nicht an einem Tag siegen, aber wir werden siegen). Ab 1932 wurde die Zeitschrift „Quaderni di Giustizia e Libertà“ herausgegeben. Die Gruppe trat für die Einheit aller antifaschistischen Kräfte unterschiedlicher politischer Ansichten und eine sozialistische Perspektive ein. 1930 organisierte Carlo den spektakulären Flug der Piloten Giovanni Bassanesi und Giacchino Dolci, die am 11. Juli vom Schweizer Tessin aus mit einem Sportflugzeug starteten und über Mailand Flugblätter abwarfen, die zum Widerstand gegen das Mussolini-Regime aufriefen.
Im Juli 1936 unterstützten Hitlerdeutschland und Mussolini-Italien den Putsch der spanischen Faschisten gegen die Volksfront-Regierung. Unter dem Kommando von General Mario Roatta schickte der „Duce“ zunächst vier Divisionen nach Spanien. Die während der Intervention auf 120000 bis 150000 Mann anwachsende Armee verfügte über 800 Kampfflugzeuge sowie 8 000 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge. 90 Kriegs- und Transportschiffe versorgten das eigene Korps und die Franco-Truppen. Sie blockierten republikanische Häfen und beschossen Küstenbefestigungen. Die Luftwaffe griff zusammen mit der Legion „Condor“ Hitlerdeutschlands die Stellungen der republikanischen Armee an und bombardierte Städte. Die Stadt Guernica nördlich von Bilbao mit ihren 7 000 Einwohnern und 3 000 Flüchtlingen wurde am 26. April 1937 „systematisch in Stücke zerschlagen“ schrieb der Korrespondent der Londoner „Times“.
Zum Kampf gegen die von Hitler und Mussolini unterstützten Franco-Faschisten kamen der Spanischen Republik 35000 bis 40000 Antifaschisten aus über 50 Ländern zu Hilfe, von denen die meisten in den Internationalen Brigaden kämpften. Darunter befanden sich auch etwa 3 354 Italiener. Auf Beschluss des sogenannten Nichteinmischungskomitees, dem sich die Regierung der Spanischen Republik fügte, mussten die Internationalen Brigaden im Sommer 1938 aufgelöst werden.
Unter den aus allen Kräften des Widerstandes in Italien kommenden Antifaschisten waren Carlo und Nello Rosselli. Carlo gehörte im August zu denen, die die Centuria Giustizia e Libertà aufstellten, die sofort an der Aragon-Front ins Gefecht zog. Die Hundertschaft ging in dem danach aufgestellten Bataillon, später Brigade Garibaldi auf, die alle italienischen Antifaschisten vereinigte. Am 13. November 1936 prägte Carlo in einer Rede auf Radio Barcelona für den Kampf der italienischen Antifaschisten die prophetische Losung „Heute in Spanien, morgen in Italien“. Sie wurde zum Schwur, mit dem die italienischen Antifaschisten in den Kampf zogen. Bei der Verteidigung von Madrid im November 1936, bei Guadalajara nördlich der Hauptstadt im März 1937, bei Brunete westlich von Madrid im Juli 1937 trafen die Garibaldiner direkt auf die Truppen Mussolinis. Mit den Kämpfern des legendären 5. Regiments, das zur Hälfte aus Kommunisten bestand und von General Enrique Lister kommandiert wurde, hielten sie die Angriffe auf und fügten den Faschisten schwere Verluste zu. Zur Behandlung einer Verwundung befanden sich die Brüder Rosselli 1937 in dem Badeort Bagnoles-de-l‘Orne (Normandie), wo am 9. Juni im Auftrag Mussolinis Agenten seines Geheimdienstes SIM mit Angehörigen des faschistischen Geheimbundes Cagoule (Die Maske) beide ermordeten.
1942 wuchs die antifaschistische Bewegung in Italien weiter an. Diesen Prozess prägte am 4. Juni 1942 auch die Formierung der Giustizia e Libertà zur Aktionspartei (Partito d‘Azione), welche die illegale Parteizeitschrift „L‘Italia Libera“ herausgab. Der Druck des von Kommunisten und Sozialisten dominierten Widerstandes führt im Juli 1943 zur Palastrevolte, die Mussolini stürzte, Die PdA schloss sich dem Aufruf des auf Initiative der IKP im September 1943 gebildeten Nationalen Befreiungskomitees (CLN) zum bewaffneten Kampf gegen das Besatzungsregime Hitlerdeutschlands an. Die von der PdA gebildeten Partisanenbrigaden Gerechtigkeit und Freiheit waren nach den kommunistischen Garibaldi-Brigaden die zahlenmäßig stärksten der Partisanenarmee. Zum Vorsitzenden der Aktionspartei wurde der kleinbürgerliche Radikaldemokrat Ferrucio Parri gewählt, der auch an die Spitze des Befreiungskomitees für Norditalien trat. Das Komitee übernahm nach dem Beginn des bewaffneten Aufstands am 25. April 1945 als Organ des antifaschistischen Einheits-Kabinetts alle Regierungsvollmachten, verkündete den Ausnahmezustand, verurteilte Mussolini und weitere hohe Faschisten, die sich weigerten, zu kapitulieren, zum Tode und ordnete die Vollstreckung der Urteile an. Ferrucio Parri stand vom Juni bis Dezember 1945 als Ministerpräsident an der Spitze der antifaschistischen Einheitsregierung. Als die Aktionspartei bei den Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung im Juni 1946 mit 1,5 Prozent Stimmen keine Massenbasis fand, löste sie sich 1947 auf. Ihre Mitglieder schlossen sich entweder der IKP, der ISP oder der Republikanischen Partei an.