Kommunalpolitik als zentrales Kampffeld der DKP

Kämpfen, wo wir wohnen

Von Männe Grüß

Die Situation in den Städten und Gemeinden hat maßgeblichen Einfluss auf die Lebenssituation der Arbeiterklasse und ihre Lebensbedingungen. Und diese Lebensbedingungen haben sich in den letzten Jahren rasant verschlechtert. Ich möchte an dieser Stelle nur exemplarisch auf die steigenden Mieten hinweisen, die im Bundesdurchschnitt seit 2010 um 25 Prozen gestiegen sind, während die Verbraucherausgaben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um 10 Prozent gestiegen sind. Diese Durchschnittswerte geben einen Vorgeschmack darauf, mit welchen Miet­explosionen die arbeitende Klasse vor allem in den Metropolen wie Berlin, München und Universitätsstädten zu kämpfen hat. Insbesondere ALG-II-Bezieher sind akut bedroht – z. B. in Berlin, wo der Quadratmeterpreis bei Neuvermietungen 2018 bei durchschnittlich circa 10 Euro netto kalt liegt, während das Jobcenter in Berlin 2018 für einen Singlehaushalt ungefähr 8 Euro pro Quadratmeter zahlt – bruttokalt, also inklusive Nebenkosten! Das ist eine strukturelle, staatlich organisierte Diskriminierung, die in öffentlichen Diskursen über Diskriminierung nicht nur bei der Monopolpresse, sondern auch bei sich fortschrittlich gebenden politischen Kräften nicht existieren.

Zur allgemeinen Rolle der Kommunalpolitik

Die Kommunen sind als kleinste Einheit der Gebietskörperschaften Teil des monopolkapitalistischen Staatsapparats auf der Ebene der Städte und Gemeinden. Wie andere Körperschaften des Staates dienen sie schlussendlich der Durchsetzung politischer und ökonomischer Interessen der Monopolbourgeoisie. Die besondere Rolle der Kommunen resultiert aus dem Widerspruch zwischen der Durchsetzung monopolkapitalistischer Interessen einerseits und der notwendigen Absicherung der Hegemonie der Monopolbourgeoisie andererseits durch staatliches Agieren. Dieser Widerspruch drückt sich der Form nach auch in einem Widerspruch zwischen kommunaler Selbstverwaltung einerseits und Durchsetzung zentraler Interessen des Bundes andererseits aus.

Kommunistische Kommunalpolitik ist in diesem Sinne die Interessenvertretung der Arbeiterklasse in allen (ökonomischen, politischen, ideologischen) Angelegenheiten, Bedingungen und Entwicklungen in Gemeinden, Kreisen oder Städten. Dabei haben die Kräfteverhältnisse im Kampf um die kommunale Daseinsvorsorge erhebliche Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse – insbesondere für den ärmsten Teil der Arbeiterklasse. Gleichzeitig richtet sich die Durchsetzung von Monopolinteressen auf kommunaler Ebene gegen alle nichtmonopolistischen Klassen und Schichten. Deswegen ist kommunistische Kommunalpolitik dem Wesen nach antimonopolistische Bündnisarbeit.

Dass die Durchsetzung von Monopolinteressen in der Kommune die Arbeiterklasse härter trifft als andere Klassen und Schichten, heißt eben auch: Die Arbeiterklasse ist nicht allein davon betroffen – zum Beispiel von explodierenden Mieten in den Metropolen. Bereits Friedrich Engels stellt in seiner Schrift „Zur Wohnungsfrage“ von 1872 dazu fest: Die „Wohnungsnot macht nur so viel von sich reden, weil sie sich nicht auf die Arbeiterklasse beschränkt, sondern auch das Kleinbürgertum betroffen hat“. Daraus folgt für Kommunisten in der Kommunalpolitik, nicht aus dem Blick zu verlieren, dass Teile des Kleinbürgertums gegebenenfalls auch schwankende Kräfte im antimonopolistischen Kampf sein können, die im schlechtesten Fall zum Resonanzboden imperialistischer Ideologie werden können – zum Beispiel durch Verkünden neoliberal inspirierter Wohnungskäufe als politische Lösung, um einer Mietsteigerung zu entgehen. ABER (!): Die Frage, zu welcher Seite der Barrikade die antimonopolistischen Bündnispartner tendieren, ist dabei nicht ausgemacht – sie hängt davon ab, welche Stärke die Arbeiterklasse in diesen Bündnissen erlangt und ausstrahlt.

Die Rolle des antimonopolistischen Bündnisses hat in der Kommune einen weiteren Aspekt: Zwischen den Beschäftigten in Betrieben der kommunalen Daseinsfürsorge sowie Verwaltung und den Interessen der Werktätigen und antimonopolistischen Schichten und Klassen besteht eine grundsätzliche Interessenidentität auf kommunaler Ebene. Desto besser die Personalsituation in Kitas, Krankenhäusern, Schwimmbädern, Sporthallen, Bürgerhäusern und Bürgerämtern ist, desto mehr profitiert auch die Bevölkerung vor Ort davon. Doch diese grundsätzliche Interessenidentität weist in konkreten Kämpfen auch gegenteilige Tendenzen auf. Beispielgebend hierfür sind z. B. Tarifkämpfe des Pflege- und Krankenhauspersonals oder auch von Erzieherinnen und Erziehern. Die prinzipielle Unterstützung durch Patienten, deren Angehörige oder Eltern kann – aufgrund ihrer individuellen Betroffenheit – umschlagen in Gleichgültigkeit oder Gegnerschaft gegenüber den Anliegen der Beschäftigten in Betrieben der kommunalen Daseinsvorsorge, obwohl das Anliegen der streikenden Beschäftigten auch in ihrem Interesse ist.

Hier dient die Notwendigkeit, ein antimonopolistisches Bündnis zu schmieden – und sei es auch nur auf Zeit – dazu, die unmittelbaren Interessen der Lohnabhängigen zu verteidigen beziehungsweise durchzusetzen.

Zu aktuellen Tendenzen im Klassenkampf auf kommunaler Ebene

In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die finanzielle Situation der Kommunen massiv verschlechtert. Diese finanzielle Notsituation hat zu einer massiven Einschränkung sozialer Rechte für die Werktätigen und der demokratischen Selbstverwaltung geführt. Sie ist das Ergebnis einer gezielten staatsmonopolistischen Umverteilung zugunsten der Monopolbourgeoisie.

So meldete der „Tagesspiegel“ bereits im August einen „Rekordüberschuss für den deutschen Staat“ und benannte dabei auch die kommunalen Überschüsse mit 6,6 Mrd. Euro.

Dass ich trotz dieser Wirtschaftsdaten von einer finanziellen Notsituation der Kommunen spreche, hat damit zu tun, dass es zumindest nur die halbe Wahrheit ist, wenn zum Beispiel der „Tagesspiegel“ als Ursache für die Überschüsse das Wirtschaftswachstum anführt. Denn abgesehen davon, dass die momentanen Überschüsse nichts an der Verschuldung der Kommunen ändern, ist darüber hinaus die ganze Wahrheit, dass die Überschüsse in den Kommunen auch das Ergebnis jahrelang ausbleibender Investitionen der Kommunen sind. So liegt der Investitionsbedarf der Kommunen nach Berechnungen der KfW-Bank 2018 bei 159 Mrd. Euro – zum Vergleich: Das sind fast 50 Prozent des Bundeshaushalts 2018 (343,6 Mrd. Euro). Alarmierend ist dabei nicht allein die Höhe des Investitionsbedarfs, sondern der Anstieg um über 30 Mrd. Euro in nur einem Jahr gegenüber 2017.

Weiterhin täuscht der Gesamtüberschuss über die Ungleichheit der Kommunen untereinander hinweg. Diese Ungleichheit der Kommunen weist dabei unterschiedliche Gefälle auf: Im Bundesgebiet ist ein Süd-Nord-  beziehungsweise ein West-Ost-Gefälle bei den Kommunalfinanzen auszumachen. Regional sind wiederum Stadt-Land-Gefälle auszumachen sowie Regionen, die aufgrund einer anhaltenden Deindustrialisierung wie das Ruhrgebiet zu den strukturschwachen Gebieten zählen. Die Ungleichheit der Kommunen vertieft sich dabei, da die Kommunen mit den geringsten Einnahmen häufig auch die Kommunen sind mit den größten Sozialausgaben aufgrund der höheren Erwerbslosigkeit.

Neben der gezielten Steuerumverteilung zu Lasten der Kommunen kommen weitere Maßnahmen des Bundes hinzu, die finanziellen Spielräume der Kommunen einzuschränken. Ein Meilenstein hier war die Abwälzung der Kosten der Unterkunft für ALG-II-Empfänger im Rahmen der Hartz-IV-Gesetze auf die Kommunen – wobei wiederum auf der Hand liegt, dass Kommunen in Regionen mit hoher Erwerbslosigkeit von dieser Maßnahme besonders hart betroffen waren und sind. Das Abwälzen der Lasten für die Versorgung und Unterbringung Geflüchteter seit 2015 auf die Kommunen verschärfte nochmal die Situation.

Privatisierungen und Öffentlich-Private Partnerschaften

Die Monopolbourgeoisie – insbesondere die Finanzoligarchie – sind mit zunehmender Ausweitung ihrer ökonomischen Macht und Intensivierung der Ausbeutung gezwungen, immer neue Kapitalanlagesphären zu erschließen – nicht um Profite zu sichern, sondern um steigende Profite zu sichern. Diese Absicherung der Profitsteigerung ist nur möglich, wenn die Erschließung aller gesellschaftlichen Bereiche im Sinne der Monopolbourgeoisie abgesichert ist – dazu zählt auch der Bereich der Reproduktionssphäre. Privatisierungen sind hierbei der geeignete zentrale Hebel.

Neben den Schwerpunkten der Privatisierung haben sich in den letzten Jahrzehnten auch die Formen der Privatisierungen verändert. So ist in den letzten 15 Jahren ÖPP die favorisierte Form der Privatisierung. Dieser Formwandel hat im Wesentlichen zwei Gründe:

1. Es geht um Etikettenschwindel. So ergaben forsa-Umfragen 2010, dass sich 79 Prozent der Befragten gegen Privatisierungen aussprachen. In diesem Sinne taucht der Begriff auch im Koalitionsvertrag von Unionsparteien und SPD 2018 nicht ein Mal auf.

2. ÖPP ist tatsächlich eine besondere Form der Privatisierung: Bei einer „normalen“ Privatisierung verkauft die Kommune ihr Eigentum – der Investor ist ab dem Moment voll für den Betrieb oder das Grundstück verantwortlich und hat gegebenenfalls auch eine Insolvenz finanziell zu tragen. Nicht so bei ÖPP: Hier gründen Kommunen und Privatinvestoren in der Regel gemeinsame Gesellschaften, die dann wiederum gegebenenfalls Aufträge an Private vergeben.

Um ÖPP als favorisierte Form der kommunalen Enteignung voranzutreiben, setzt die Große Koalition nicht allein auf den wachsenden Investitionstau der Kommunen. Bereits 2009 beschloss die Große Koalition die Verankerung der sogenannten Schuldenbremse im Grundgesetz. Diese Schuldenbremse sieht für Bund, Länder und Kommunen ein Verbot von Neuverschuldungen vor.

Unerwähnt blieb auch, dass eine Neuverschuldung mit einer einzigen Ausnahme nach wie vor möglich ist: Kreditaufnahmen der Kommunen zur Investition in ÖPP-Projekte sind ausdrücklich erlaubt – sie werden sogar noch vom Bund finanziell gefördert.

Die Schuldenbremse für Kommunen tritt ab 2020 in Kraft. Angesichts des bereits genannten explodierenden Investitionsstaus ist davon auszugehen, dass auf kommunaler Ebene in den nächsten Jahren eine neue Privatisierungswelle ansteht.

3. Die Kommunen auf dem Gebiet der DDR sind im besonderen Maße betroffen durch die größte Privatisierungswelle in der Geschichte Deutschlands infolge der Konterrevolution 1989/90.

Wenn von Privatisierungen in Deutschland die Rede ist, dann fällt die durch die Treuhand durchgeführte Enteignung des Volkseigentums auch unter (westdeutschen) fortschrittlichen Kräften gerne unter den Tisch.

Um die sozialen, politischen und kulturellen Folgen dieses Raubzugs der westdeutschen Monopolbourgeoisie auch zu erfassen, reicht es nicht, sich diese nackten Wirtschaftszahlen vor Augen zu führen. Hinzu kam die Vertreibung der gesamten DDR-Eliten aus Militär, Verwaltung, Forschung und Wissenschaft. Bis heute sind wie im Kolonialstil ab einer bestimmten Hierarchiestufe in der Verwaltung ausschließlich westdeutsche Eliteangehörige tonangebend.

Kommunalpolitik der DKP und Schlussfolgerungen für die Arbeitsplanung des Parteivorstandes

1. Die Arbeit in der Kommune ist ein politisches und organisatorisches Standbein der DKP.

Positiv fällt auf, dass die Angaben der Grundorganisationen zur kommunalpolitischen Situation vor Ort im Wesentlichen mit den tatsächlichen Entwicklungen in den Kommunen korrespondiert. So entsprechen die am häufigsten genannten Privatisierungen den gesamtdeutschen Entwicklungen auf kommunaler Ebene, wenn Krankenhäuser und Pflegeheime am häufigsten genannt werden und bei ÖPP vor allem Schulen. Entsprechend der tatsächlichen Entwicklung können Investitionsstaus benannt werden vor Ort in der Reihenfolge Schulen/Kitas, Straßeninfra­struktur/ÖPNV und kommunaler Wohnungsbau.

2. Kommunalpolitik in Kommunalparlamenten ist in der DKP rudimentär.

Diese These klingt bitter und schmeichelt dem organisationspolitischen Zustand der Partei nicht. Umso wichtiger ist es aber, sich dieser Fakten bewusst zu sein, um daraus eine realistische Orientierung für die Kommunalpolitik des Parteivorstandes abzuleiten. Circa 3,8 Prozent der Grundorganisationen haben Vertreter in Kommunalparlamenten.

Nun ist es keineswegs so, dass Kommunalwahlkämpfe das einzige oder auch nur entscheidende Instrument der DKP in der Kommunalpolitik sind. Aber sie sind selbstverständlich ein Instrument zur Formierung der Partei in der Kommune, das möglichst breit in der Partei genutzt werden sollte.

3. Kommunal- und Betriebspolitik der DKP im Bereich der Betriebe der kommunalen Daseinsvorsorge sind ein Schlüssel, um größere Teile der Grundorganisationen an eine Betriebsorientierung heranzuführen – und andersherum.

Die Kolleginnen und Kollegen der öffentlichen Daseinsvorsorge waren in den letzten 30 Jahren relativ betrachtet durch Privatisierungswellen etc. stärkeren Angriffen ausgesetzt als die Kolleginnen in den Zentren der materiellen Produktion – das gilt übrigens auch für anstehende Rationalisierungswellen im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung. Dass sich die Kolleginnen und Kollegen in der Daseinsvorsorge dagegen vermehrt zur Wehr setzten, leuchtet ein.

Völlig klar ist dabei: Eine solche Orientierung im Bereich der Kommunen kann eine Betriebsorientierung nicht ersetzen. Aber Erfahrungen, die Grundorganisationen hier sammeln, können nutzbar gemacht werden, um eine gleichwohl erfolgreichere Betriebspolitik in Angriff zu nehmen.

Aus dem Referat auf der DKP-Parteivorstandstagung am 8./9. Dezember in Essen

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"Kämpfen, wo wir wohnen", UZ vom 21. Dezember 2018



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