Nach zwei Jahren Corona-bedingter Zwangspause findet die Rosa-Luxemburg-Konferenz wieder unter gewohnten Bedingungen am Samstag, den 14. Januar im Berliner Tagungshotel Mercure MOA statt – inklusive des Cafés K der DKP. In Zeiten von Krieg, Aufrüstung und sozialem Kahlschlag will die Tageszeitung „junge Welt“ unter dem Motto „Den dritten Weltkrieg stoppen. Jetzt!“ Friedensbewegten ein Forum bieten, zu diskutieren und zu vernetzen. UZ sprach mit ihrem Chefredakteur Stefan Huth.
UZ: Auf der Konferenz liegt der Schwerpunkt auf dem Friedensthema. Was können die Teilnehmer vom Thema erwarten? Wer kommt alles?
Stefan Huth: Jedes Jahr steht die Konferenz für Frieden und gegen die wachsende Kriegsgefahr, derzeit haben wir es allerdings mit einer besonders zugespitzten Lage zu tun. Seit dem Krieg in der Ukraine besteht eine sehr ernste Bedrohung für den Weltfrieden, und diesem Umstand haben wir versucht, Rechnung zu tragen und interessante Referentinnen und Referenten aus aller Welt eingeladen. Da die beiden Hauptgegner, wie es heißt, „systemische“ Gegner des Westens sind, erwarten wir Referenten aus Russland und China. Nikolai Platoschkin, der auf der Liste der Kommunistischen Partei kandidiert hat, wird dazu sprechen, wie der Ukrainekrieg in Russland reflektiert wird, aber auch, wie er mit der sozialen Frage zusammenhängt. Der Agrarökonom Wen Tiejun aus Beijing wird über das Entwicklungsmodell der Volksrepublik sprechen und darüber, warum der Westen davor eine solche Angst hat.
Aber auch mit Blick auf die wirtschaftlichen Grundlagen der aktuellen geopolitischen Zuspitzungen haben wir einiges an zu erwarten. Aus Kalifornien kommt zum Beispiel der bekannte US-Ökonom Jack Rasmus. Er hat sich mit dem Gegentrend zur Globalisierung beschäftigt, also mit dem Versuch, ganze Weltregionen in der östlichen Hemisphäre von der industriellen beziehungsweise technologischen Entwicklung „abzukoppeln“, etwa im Bereich der Chip-Industrie. Aus Mali erwarten wir die Exministerin Aminata Traoré, die über die Folgen der westlichen Kriegspolitik für die abgehängten Länder des Trikonts, die sogenannten Entwicklungsländer, sprechen wird.
Aus Kuba kommt die Vizepräsidentin des kubanischen Journalistenverbandes, die Publizistin Rosa Miriam Elizalde, und wird über das sozialistische Kuba als Garant für den Frieden und als gesellschaftliches Gegenmodell zum imperialistischen Expansionsdrang referieren. Die belgische Historikerin und Buchautorin Anne Morelli aus Brüssel widmet sich der Kriegspropaganda der NATO gegen Russland und gegen China. Zudem wird es eine Grußbotschaft von Aleida Guevara und natürlich das Jugendforum der SDAJ geben.
UZ: Aber auch die Podiumsveranstaltung scheint gut besetzt zu sein?
Stefan Huth: Ja, in der Runde zum Thema „Kämpfen in der Krise. Der Krieg und die soziale Frage“ werden interessante Teilnehmerinnen und Teilnehmer sitzen. Da ist zum einen Christin Bernhold, Basisaktivistin aus Hamburg und lange engagiert im Bündnis „Bildung ohne Bundeswehr“. Dann erwarten wir Thilo Nicklas, Stellvertretender Vorsitzender des IG BAU-Bezirksverbands Köln-Bonn, Sevim Dagdelen, Bundestagsabgeordnete der „Linken“, und Melina Deymann aus der UZ-Redaktion. Das Podium wird der Frage nachgehen, wie der Kampf gegen die Abwälzung der Kriegs- und Krisenkosten organisiert, wie die Linke wieder in die Offensive kommen kann.
UZ: Die Antikriegskonferenz läuft unter dem Motto „Den Dritten Weltkrieg stoppen!“. Wer von Weltkrieg oder Wirtschaftskrieg heute spricht, wird gleich unter den Verdacht der Verschwörungstheoretiker gestellt. Wir geht ihr damit um?
Stefan Huth: Es gibt schon Leute, die finden den Slogan zu alarmistisch, meinen, er sei nicht gedeckt durch die aktuelle Entwicklung. Wir haben ihn natürlich bewusst so gewählt, denn wie der Zweite Weltkrieg nicht an 1. September 1939 begann, sondern auch eine Vorgeschichte von Aggressionen hatte, in Spanien etwa oder der Tschechoslowakei, besteht die reale Gefahr, dass der Ukrainekrieg einmal als ukrainische Phase eines dritten Weltkriegs in die Geschichte eingehen wird. Von der NATO wird ja direkt auf eine Konfrontation gegen Moskau und Beijing hingearbeitet, und das ist sicher keine Verschwörungstheorie. Es gibt entsprechende Stellungnahmen und Strategiepapiere auf der einen Seite. Und das Faktum auf der anderen, dass der westliche Imperialismus sich im Abschwung befindet, sein Hegemoniemodell bedroht ist und die USA als führende Kraft in der NATO gerade einen Überlebenskampf auskämpfen. Insofern kann man uns keine Realitätsverweigerung vorwerfen. Wenn man sich die Fakten anguckt, ist es schlimm genug, was da konkret geplant wird.
UZ: Den Dritten Weltkrieg stoppen, das kann keine Konferenz. Aber welche Impulse kann sie geben, um den Widerstand auf die Straße zu bringen?
Stefan Huth: Wir bekommen bislang ein außerordentlich positives Feedback. Der Kartenvorverkauf läuft sehr gut, möglicherweise werden sogar die Karten an der Abendkasse knapp. Das ist sicher ein Zeichen dafür, dass die Menschen nach der Pandemie-bedingten Zwangspause ein großes Bedürfnis danach haben, zusammenzukommen, zu diskutieren, sich zu vernetzen. Als Tageszeitung können wir natürlich nicht das ersetzen, was auf der Straße und in den Betrieben geschehen muss. Aber wir können Informationen liefern, Analysen, und Alternativen aufzeigen. Klar, wir werden den Krieg damit nicht stoppen können. Aber wir können die friedensbewegten Kräfte sammeln, einen Verständigungsprozess anschieben, um eine klarere Grundlage für das eigene Handeln zu bekommen.
UZ: Kultur spielt eine große Rolle auf der Konferenz. Was ist geplant?
Stefan Huth: Ein Highlight, das sich an der Grenze zwischen Kultur und Politik bewegt, wird die Weltpremiere des britischen Films „Oh, Jeremy Corbyn: The Big Lie“ sein. Auf der RLK werden Ausschnitte gezeigt, und es kommen Protagonisten zu Wort. Die Uraufführung findet dann am Sonntag nach der LL-Demo im Berliner Kino „Babylon“ in Mitte statt. In der Doku geht es um die mediale und politische Kampagne gegen den damaligen Labour-Vorsitzenden, der unter haltlosen Antisemitismusvorwürfen aus dem Amt getrieben wurde.
Daneben haben wir Pablo Miro? und Nicolás Miquea eingeladen, die ein Programm zum 50. Jahrestag der Ermordung von Victor Jara, dem chilenischen Liedermacher, präsentieren werden. Daneben gibt es eine Kunstausstellung mit Arbeiten aus der jW-Grafikedition, eine Theateraufführung und vieles mehr.
UZ: Warum wird es wieder eine Hybridveranstaltung geben? Was sind eure Erwartungen?
Stefan Huth: Es ist nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause das erste Mal, dass wir wieder in den Räumlichkeiten vom Konferenzhotel Mercure MOA präsent sind. Hybridveranstaltungen haben wir aber schon seit vielen Jahren etabliert, damit Leute, die nicht nach Berlin kommen können, die Veranstaltung über ihre heimischen Rechner mitverfolgen können, allein oder als kollektives Erlebnis. Das haben wir unter den Corona-Bedingungen verfeinert und verbessert. Mit gesicherten 20.000 Endgeräten, die letztes Jahr aus aller Welt zugeschaltet waren – es gibt ja Simultanübersetzung –, werten wir das als beachtlichen Erfolg.
Mehr Informationen unter jungewelt.de/rlk