Zwanzig Jahre hat es gedauert, bis im Fall „Manta y Vilca“ ein Urteil gefällt wurde: Als die peruanische Armee im Rahmen des Kampfes gegen die Guerrillaorganisation „Leuchtender Pfad“ einen Armeestützpunkt zwischen den Andenstädten Manta und Vilca einrichtete, kam es zwischen 1984 und 1998 zu unzähligen individuellen und kollektiven Vergewaltigungen dort lebender Frauen und Mädchen. Täter: Die dort stationierten Soldaten. Im Jahr 2003 wurden diese Fälle erstmals der breiten Öffentlichkeit bekannt, als 24 Frauen aus der Region Strafanzeige gegen ihre Vergewaltiger stellten. Jetzt wurden zehn Soldaten im Ruhestand zu Haftstrafen zwischen sechs und zwölf Jahren wegen der Vergewaltigung von neun Frauen und Mädchen vor 40 Jahren verurteilt, die drei noch lebenden Frauen erhalten zudem je 100.000 Soles „Schmerzensgeld“.
Ein historisches Urteil, denn erstmals wurden Sexualverbrechen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verhandelt und verurteilt. Im Rahmen der Urteilsverkündigung wurde festgehalten, dass diese Vergewaltigungen keine Einzelfälle waren, sondern es sich dabei um systematische Verbrechen des peruanischen Militärs gegen eine bestimmte
Bevölkerungsgruppe – die indigenen Frauen der peruanischen Anden – handelte. Die stationierten Soldaten inklusive ihrer Vorgesetzten seien gezielt und geplant vor allem gegen Mädchen zwischen 14 und 16 Jahren vorgegangen, indem der damals ausgerufene Notstand ausgenutzt wurde. So war es den Tätern etwa möglich, im Rahmen der „Terrorbekämpfung“ ohne öffentliches Aufsehen in Häuser einzudringen, die Opfer auf Militärgelände zu verschleppen und zu vergewaltigen. Das Gericht konnte nachweisen, dass die Bevölkerung Mantas und Vilcas keine „Alliierten des Leuchtenden Pfades“ waren und dieser Vorwurf vom peruanischen Militär konstruiert wurde, um die Kontrolle über die Menschen der Region zu erlangen – was in den massenhaften und systematischen Vergewaltigungen mündete, die nun schließlich als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt wurden. Die heute 54-jährige María, die, als sie gerade 15 Jahre alt geworden war, mehrfach vergewaltigt und davon mindestens zwei Mal schwanger wurde, gab in ihrer abschließenden Aussage an: „Wir waren noch Kinder, als die Armee auf das Land geschickt wurde, wo wir missbraucht, vergewaltigt, gefoltert und ermordet wurden. Ich bin die lebende Zeugin davon.“
Man könnte meinen, damit wäre ein erster Präzedenzfall geschaffen worden, doch der von den Anhängern des ehemaligen peruanischen Diktators Alberto Fujimori (1990 – 2000) dominierte rechte Kongress reagierte ohne zu Zögern: Noch vor Urteilsverkündung im Fall „Manta y Vilca“ verabschiedete der Kongress eine von Diktatorentochter Keiko eingebrachte Gesetzesinitiative, die alle vor dem Jahr 2002 begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen auf peruanischem Boden für verjährt erklärt. Sollte dieses Gesetz in zweiter Abstimmung beschlossen werden, stünde nicht nur das Urteil zu Manta und Vilca auf der Kippe, sondern die etwa 600 laufenden Verfahren gegen ehemalige Angehörige des Militärs, Politiker aus dem Fujimori-Lager und Alberto Fujimori selbst könnten ohne weitere Konsequenzen eingestellt werden. Dieser war im Dezember 2023 wegen seines Gesundheitszustands begnadigt worden. Verurteilt war er zu 25 Jahren Haft wegen zweier Massaker in seiner Amtszeit. Doch weitere Verfahren wegen Menschenrechtsverletzungen laufen – sie würden bei der Verabschiedung des Gesetzes ohne Frage eingestellt.
Neben Experten der UN hat auch der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte den peruanischen Kongress aufgefordert, die entsprechende Gesetzesvorlage zurückzunehmen, da sie gegen internationale Menschenrechte verstoße. Dieser zeigte sich gar noch empört darüber und postulierte, die Republik Peru und ihr Kongress seien souverän und würden sich keiner ausländischen Einmischung beugen. Das gilt wohl nur für die Wahrung von Menschenrechten. Erst Ende Mai hatte die peruanische Regierung mit Zustimmung des Kongresses im Rahmen der Militärübung „Resoulte Sentinel 24“ erneut US-amerikanische Streitkräfte zu umfassenden Militäroperationen in Südamerika in der eigenen souveränen Republik stationiert.