„Quod licet Jovi, non licet bovi“ – „Was dem Jupiter erlaubt, ist dem Ochsen noch lange nicht erlaubt.“ Die Herkunft des Satzes wird häufig dem römischen Komödiendichter Terenz zugeschrieben, ist aber nicht ganz geklärt. Seine Treffsicherheit jedoch ist kaum zu überbieten. Das deutsche „mit zweierlei Maß messen“ vergisst, worum es eigentlich geht: um Reichtum, Macht und Einfluss.
Ohne Wenn und Aber hieß es in einem Kommentar in der „Süddeutschen Zeitung“: „Die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs, einen Verbrecher endlich als Verbrecher zu behandeln, ist richtig …“ Das war vor einem Jahr und betraf selbstverständlich Wladimir Putin.
Heute dagegen, wo ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag unter anderem gegen den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu beantragt wurde – auf die Realisierung würde ich nicht wetten –, ist die Verunsicherung unter westlichen Regierungen groß. Nicht so bei Friedrich Merz. Er machte sein Abitur an einer der ältesten Schulen NRWs und kennt seinen Terenz. So ist er derjenige, der den drohenden Haftbefehl richtig einordnen kann: „… der Internationale Strafgerichtshof ist eingerichtet worden, um Despoten und autoritäre Staatsführer zur Rechenschaft zu ziehen, nicht um demokratisch gewählte Regierungsmitglieder festzunehmen.“
Sind die beantragten Haftbefehle und die Zulassung der Klage wegen Genozids und des Verbots des Angriffs auf Rafah durch den IGH Ergebnis so offensichtlicher israelischer Kriegsverbrechen – derer sich Regierungsmitglieder sogar rühmten? Oder Ergebnis der weltweiten Proteste? Wahrscheinlich beides. Und vor allem wissen auch IstGH und IGH, dass der „globale Süden“ mit all seinen unterschiedlichen Interessen die Vormundschaft des Westens und der G7 nicht mehr einfach hinnimmt. Jupiters Thron wankt. Die USA selbst werden es richten müssen. Wie der CDU-Vorsitzende Merz hält US-Präsident Biden den drohenden Haftbefehl für einen Skandal. Deshalb verlangen US-Außenminister Blinken und Kongressabgeordnete Sanktionen gegen die Richter des IStGH, wie sie vor vier Jahren schon einmal gegen die damalige Chefanklägerin verhängt wurden. Von einem Militäreinsatz gegen den IStGH ist noch nicht die Rede – aber auch das wäre dann ja keine Aggression, sondern diente dem Schutz der Demokratie.