Auch das sächsische Polizeigesetz wird verschärft

Jürgen Georgies düstere Ahnung

Von Roman Stelzig

Am 17. April hat die Regierung in Dresden eine Überarbeitung des sächsischen Polizeigesetzes vorgelegt. Im August soll der Entwurf im Landtag diskutiert und Anfang 2019 verabschiedet werden. „Das weitere Verfahren sieht so aus, dass der Gesetzesvorschlag an verschiedene Verbände und sonstige Stellen […] zur Stellungnahme übersandt wurde“, heißt es in einer Pressemitteilung. Veröffentlicht wurde der Entwurf erst, nachdem die Internetplattform BuzzFeed News das Dokument verbreitet hatte.

Die Pläne, die darin zutage treten, sind haarsträubend und entlarven auch den Autor dieses Artikels als Naivling. Noch im Januar habe ich den Landespolizeipräsidenten Jürgen Georgie über die Nutzung des Panzerwagens „Survivor R“ mit der Aussage zitiert: „Ein Maschinengewehr kommt nicht drauf, das gibt das Polizeigesetz nicht her.“ Nun ist kein halbes Jahr vergangen, und der Zitierte erweist sich als Prophet, der den Berg auf sich zukommen sieht. Treten die neuen Inhalte in Kraft, werden Spezialeinheiten bald mit Handgranaten und Maschinengewehren ausgerüstet.

Außerdem erhält die Polizei umfassende Zugriffs- und Überwachungsrechte, wie Videoaufzeichnung, Gesichtserkennung, die Einrichtung öffentlicher Kontrollbereiche, die Verhängung von Hausarresten, den Einsatz von Fußfesseln, das Unterbrechen und Überwachen von Telefongesprächen, das Orten und Auslesen der Daten von Handys, die Entnahme von Blut- und DNA-Proben oder die Überwachung von Journalisten und Beratungsstellen. Das Ausspähen von Computern und verschlüsselter Internetkommunikation sind, obwohl von der CDU gefordert, nicht vorgesehen, weil die SPD einer Einschränkung der Ausweispflicht von Polizisten zugestimmt und auf eine Kennzeichnungspflicht verzichtet hat. Gänzlich neu ist die Aufteilung des sächsischen Polizeigesetzes in ein Polizeivollzugs- und ein Polizeibehördengesetz, was nach BuzzFeed News bedeutet, dass „auch Mitarbeiter des Ordnungsamtes Menschen, Wohnungen und Gegenstände durchsuchen dürfen“. Eingeschränkt wird mit dem Entwurf dagegen der Einsatz von Minderjährigen und ungeeigneten Personen als V-Leute, das Festhalten von Jugendlichen in Gewahrsamsräumen und die Identitätsfeststellung von Personen, die sich in der Nähe von Prostituierten aufhalten.

Auf World Socialist Website schreibt Christopher Lehmann: „In Paragraph 10 des Dokuments zählt [die Regierung] völlig ungeniert auf, welche [Grundrechte] ‚auf Grund dieses Gesetzes eingeschränkt werden‘ können: die Grundrechte auf ‚Leben und körperliche Unversehrtheit‘, ‚Freiheit der Person‘, ‚Wahrung des Brief-, Post-, Fernmeldegeheimnisses‘, ‚Freizügigkeit‘, ‚Versammlungsfreiheit‘, ‚die Unverletzlichkeit der Wohnung‘ und ‚das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung‘.“

Der Entwurf in Sachsen reiht sich in die Verschärfung der Polizeigesetze verschiedener, besonders CDU-geführter Bundesländer. Er macht offensichtlich, dass die Mächtigen wissen, dass es gute Gründe gibt, Widerstand gegen ihre Politik zu leisten; und was sie bereit sind, dagegen zu tun. Szenarien, die man uns sonst nur in Nachrichten aus despotischen Monarchien zeigt, werden hier in „demokratische“ Gesetze gegossen – und man findet gar nichts dabei, dass bald Maschinengewehre auf Demonstranten gerichtet und Journalisten überwacht werden!

Vor dem Hintergrund der hohen Wahlzustimmung der AfD in Sachsen ist die Entwicklung besonders gefährlich. Sollte es der rechten Partei gelingen, 2019 die Landesregierung zu stellen, würde sie den neuen Überwachungs- und Vollzugsapparat übernehmen. Aber schon jetzt folgt die Politik in Sachsen ihrem Geist: Erkennbar ist die Nervosität, die sich bei den regierenden Parteien angesichts der Konkurrenz von rechts verbreitet. Aber auch sie wissen: „Es ist ein langer Weg zum vierten Reich …“

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"Jürgen Georgies düstere Ahnung", UZ vom 1. Juni 2018



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