VW-Aktie geht durch die Decke“ – so titelten die örtlichen „Wolfsburger Nachrichten“ nach der Bilanz-Pressekonferenz des Volkswagen-Konzerns am 16. März in Wolfsburg. Der Autobauer habe 2020 „seine Robustheit unter Beweis gestellt, trotz der andauernden Herausforderungen durch die Covid-19-Pandemie“. Das operative Ergebnis von über zehn Milliarden Euro habe „die Erwartungen aus der ersten Hochphase der Pandemie im Frühjahr 2020 deutlich übertroffen“, sagte der scheidende VW-Finanzchef Frank Witter. Und die Profite sind durch das Sparprogramm weiter gesichert: „Das Ziel, die Fixkosten bis 2023 im Vergleich zu 2020 um jährlich rund zwei Milliarden Euro beziehungsweise 5 Prozent zu senken, kommt bei den Aktionären gut an“, so die „Wolfsburger Nachrichten“. Zur Freude der Aktionäre stellt Witters Nachfolger Arno Antlitz für spätestens 2025 eine „Umsatzrendite des Konzerns zwischen 7 und 8 Prozent“ in Aussicht.
Trotz des Rückgangs der Fahrzeugproduktion und des Umsatzes um 20 beziehungsweise 12 Prozent soll die Dividende für die Aktionäre so hoch wie im Vorjahr ausfallen: 4,80 Euro pro Aktie. Dieser Geldsegen geht zu über 50 Prozent an die Porsche SE, die völlig im Besitz des milliardenschweren Porsche/Piëch-Klans ist. Die Aktionäre sahnen ab, obwohl hunderte Millionen Kurzarbeitergeld von der Arbeitsverwaltung massiv zur Senkung der Arbeitskosten beigetragen haben und weiterhin beitragen. „Die Gewinnrücklage des Konzerns wurde im abgelaufenen Jahr nochmals auf nunmehr 100 Milliarden Euro erhöht“, schreibt dazu der ehemalige VW-Betriebsrat Stephan Krull auf seinem Blog „stephankrull.info“.
Ein Schwerpunkt der Bilanz-Pressekonferenz und des am Vortag erstmals veranstalteten sogenannten „Power Day“ war die Vorstellung der VW-Pläne für die Elektro-Mobilität. VW-Vorstandsvorsitzender Herbert Diess sagte, die „Elektrifizierung und Digitalisierung“ veränderten das Auto „schneller und radikaler als je zuvor“. Für beide Themen seien Skaleneffekte absolut entscheidend, so Diess. „Unsere Elektroplattform wird mit der Produktion in Europa, China und USA weltweit skaliert. Das gute Abschneiden im Krisenjahr 2020 gibt uns dafür zusätzlichen Rückenwind.“ Skalieren heißt vor allem, hohe Stückzahlen zu produzieren und die Märkte mit Autos zu überschwemmen. Anders sind die Kosten nicht wieder hereinzuholen. Dafür sind die satten Prämien vom Steuerzahler für Elektroautos, inzwischen von der Regierung bis 2025 zugesagt, ein zentrales, für die Autokonzerne profitables Hilfsmittel.
Um die Versorgungssicherheit mit den dafür nötigen Batteriezellen sicherzustellen und um sich von den Zulieferern – vor allem aus Asien – unabhängiger zu machen, will VW bis zum Jahr 2030 in Europa sechs sogenannte Gigafabriken aufbauen, die erste im niedersächsischen Salzgitter. In ihnen sollen Stromspeicher in einem Einheitsformat produziert werden, was die Kosten um 50 Prozent senken soll. Es ist ein teurer Wandel, allein die Batteriefabriken dürften zwölf Milliarden Euro kosten. Auch dafür sind von der EU bereits Milliardensubventionen in Aussicht gestellt. Möglich wird der Umbau für VW auch dank der alten Antriebe, CO2-Einsparung hin oder her. „Unser profitables Verbrennergeschäft wird uns erlauben, diesen Wandel zu finanzieren“, so Diess.
Außerdem will VW mit Partnern ein eigenes Ladenetz in Europa, China und den USA errichten. 18.000 Schnellladepunkte in einem europäischen Netz sollen entstehen, weitere tausende in China und in den USA. Energie und Energiemanagement, als „Mobility and Services“ ein Tagesordnungspunkt bei der „Power Day“-Präsentation, werden so zu einem neuen Geschäftsfeld, zu einer neuen und weiteren Profitquelle.
Wie in zahlreichen Studien prognostiziert, erweist sich der Umbau hin zur Elektromobilität als Jobkiller. Um fast 7.000 Beschäftigte ist die VW-Belegschaft im Jahr 2020 geschrumpft – mehr als 3.000 im Inland und mehr als 3.500 an den ausländischen Standorten –, Leiharbeiter und Werkvertragsbeschäftigte noch gar nicht mitgerechnet. Dieser Trend soll sich fortsetzen. Der Abbau weiterer 4.000 Arbeitsplätze ist angekündigt und wird durch Einstellungsstopp und eine ausgeweitete Altersteilzeit zügig umgesetzt. „Volkswagen will den Krieg um Märkte und Kunden mit all seiner ökonomischen Macht gewinnen“, schätzt Krull dazu ein. Im kleiner gewordenen Markt, bei geringerer zahlungskräftiger Nachfrage kann das nur zu Lasten der Belegschaften gehen, sowohl der eigenen als auch der Konkurrenten. Wenn diese sich nicht mit ihrer Gewerkschaft solidarisch wehren, auch über Landesgrenzen hinweg, wird das heißen: Es werden frostige Zeiten auf die Beschäftigten zukommen.