Bundeswehr nach Syrien, Souveränität egal

Jetzt auch offen

Von Toto Lyna/ZLV

Seit fast fünf Jahren herrscht in Syrien Krieg. Nun mischt sich der deutsche Imperialismus auch direkt und offen in diesen Krieg ein. Nach den Anschlägen von Paris hatte Frankreich erstmals den EU-Bündnisfall ausgerufen. Die Bundesregierung reagierte zügig, zunächst kündigte sie an, mehr Soldaten nach Mali zu schicken, um die französische Armee auf diese Weise zu entlasten. Statt wie bisher höchstens 200 sollen künftig bis zu 650 Soldaten in Mali eingesetzt werden.

Was einen Einsatz der Bundeswehr in Syrien angeht zögerte Merkel dagegen, sie bat den französischen Präsidenten um Bedenkzeit. Einen Tag später verkündete sie, dass die Pläne für den Kriegseinsatz vorbereitet werden, es kursieren Zahlen und Angaben darüber, welche Gerätschaften die Bundeswehr einsetzen soll. Der Einsatz wird wahrscheinlich mit dem Recht auf kollektive Selbstverteidigung nach Artikel 51 der UN-Charta und der Resolution 2249 über den Kampf gegen den IS gerechtfertigt – beide lassen sich zur juristischen Begründung für den Krieg gegen Syrien benutzen.

Die Bundesregierung wird voraussichtlich 1 200 Soldaten für den Einsatz gegen Syrien bereitstellen, Tornados, ein Tankflugzeug und eine Fregatte. Die Tornados und ein Aufklärungssatellit sollen dazu dienen, die Ziele zu erfassen, die die Bündnispartner anschließend bombardieren. Damit würde die Beteiligung deutscher Soldaten am „Kampf gegen den IS“ der größte aktuelle Auslandseinsatz der Bundeswehr. Die Bundeswehr wird damit zu einem wichtigen Teil des Kriegsgeschehens in Syrien werden. Nach Aussagen des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Volker Wieker, kann der Einsatz sehr rasch nach einer Mandatierung beginnen. Am Dienstag beschloss die Bundesregierung, das Mandat auf den Weg zu bringen, noch in dieser Woche sollte der Bundestag darüber entscheiden. Die Kosten werden für das kommende Jahr auf 134 Millionen Euro geschätzt – und es solle um einen „Durchhalte-Einsatz“, also um eine langfristige Kriegsbeteiligung, gehen.

Bereits seit Mitte September fordert z. B. Wolfgang Ischinger, der Leiter der „Münchener Sicherheitskonferenz“, die Errichtung einer Flugverbotszone und gegebenenfalls auch den Einsatz von Bodentruppen in Syrien, er schließt nicht aus, dass dabei auch deutsche Truppen eingesetzt werden sollten. Auch Volker Perthes von der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ forderte Ende September, dass sich die Bundeswehr an einer „Peace Keeping“-Mission beteiligen solle. Die syrische Souveränität nicht anzuerkennen – das bleibt die dominante Linie der deutschen Syrien-Politik. Die Äußerungen des SPD-Fraktionsvorsitzenden Oppermann zu einer möglichen Zusammenarbeit mit Assad und der syrischen Armee sind aus Sicht der Regierenden noch zu praxisfern.

Die französische Regierung deutete dagegen einen Kurswechsel an: Frankreich erwägt eine Zusammenarbeit mit den Truppen der syrischen Regierung. Der Vorstoß kam am Freitag von Außenminister Laurent Fabius – genau zwei Wochen nach den Anschlägen von Paris, zu denen sich der IS bekannt hat.

Fabius erklärte, im Kampf gegen den IS seien auf der einen Seite Luftangriffe nötig, auf der anderen Seite aber auch Bodentruppen. Letztere müssten die oppositionelle „Freie Syrischen Armee“, sunnitisch-arabische Kräfte „und warum nicht auch Kräfte des Regimes“ stellen. Bodentruppen könnten jedenfalls nicht von Frankreich kommen. Noch vor wenigen Wochen hatte sich Hollande ausdrücklich gegen jegliche Kooperation mit Assad gewandt und betont, man könne keinesfalls die „moderate und demokratische Opposition“ mit dem „Henker des eigenen Volkes“ zusammenbringen.

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"Jetzt auch offen", UZ vom 4. Dezember 2015



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