Über die Folgen der Digitalisierung für die Arbeitswelt wird seit geraumer Zeit kontrovers diskutiert. Wichtige Fragestellungen hierbei sind: Wie viele Jobs werden durch die vierte industrielle Revolution vernichtet? Wo entstehen neue und wie verändern sich vorhandene Arbeitsplätze? Aus marxistischer Sicht ist sicher auch von besonderem Interesse, welche Konsequenzen dies auf die kapitalistische Produktionsweise im 21. Jahrhundert und auf die Kräfteverhältnisse von Kapital und Arbeit im Betrieb und in der Gesellschaft hat?
Interessante Ergebnisse hierzu liefert der aktuelle Kurzbericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit. Laut dieser Studie kann jeder vierte sozialversicherungspflichtige Arbeitsplatz inzwischen durch einen Computer oder eine computergesteuerte Maschine ersetzt werden. In absoluten Zahlen sind 7,9 Millionen Kolleginnen und Kollegen von dieser Entwicklung betroffen. Ob ein Arbeitsplatz substituiert werden kann, hängt davon ab, wie viele Kerntätigkeiten von einer computergesteuerten Maschine erledigt werden können. Liegt der Anteil bei mehr als 70 Prozent, gehen die Arbeitsmarktforscher davon aus, dass Job durch digitale Technik ersetzbar ist. Dies bedeutet nicht, dass die Arbeitsplätze dann tatsächlich wegrationalisiert werden, aber die technischen Möglichkeiten dazu bestehen. Ein Grund. warum dies in der Praxis nicht immer passiert, ist, dass in bestimmten Bereichen die Ware Arbeitskraft so billig ist, dass sich teure Investitionen in die neuen Technologien (noch nicht) lohnen oder in manchen Fällen bestehende Gesetze, wie z. B. im Pflegebereich, diese Entwicklung verhindern.
Die Substituierbarkeitspotentiale, so der wissenschaftliche Fachbegriff, haben jedenfalls in relativ kurzer Zeit massiv zugenommen. Dies wird anhand einer Vorgängerstudie des IAB deutlich, die sich auf Daten für das Jahr 2013 bezieht. Hier betrug das Substituierbarkeitspotential noch 15 Prozent bzw. 4,4 Millionen sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze. Dieser rasante Anstieg des Potentials, Beschäftigte durch Computer zu ersetzen, trifft für alle Bundesländer zu. Doch ist dieser Trend regional unterschiedlich stark ausgeprägt. Die niedrigsten Substituierbarkeitspotentiale wurden für Berlin mit 14,6 Prozent und die höchsten für das das Saarland mit 30 Prozent erkannt. Ursachen für die großen Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern sind die regionalen Branchen- und Berufsstrukturen. Nach der aktuellen IAB-Studie sind neben dem Bergbau (47,9 Prozent) und bei Finanz- und Versicherungsdienstleistungen vor allem Jobs im verarbeitenden Gewerbe (55,7 Prozent) durch digitale Technik ersetzbar.
Aufgrund dieser Entwicklung könnte man fragen, ob dem Kapital die Arbeit und damit die Quelle seines Profits ausgeht? Dem ist sicher nicht so. Die meisten Untersuchungen der Arbeitsmarktforschung kommen zu dem Ergebnis, dass sich die Summe der Arbeitsplätze durch Digitalisierung nicht verändern wird: Es wird aber zu großen Verschiebungen innerhalb der Branchen- und Berufsstrukturen kommen. Dies kann Folgen auf die Qualität der Arbeitsplätze haben. Der Anteil tarifgebundener und mitbestimmter Jobs kann zurückgehen. An ihre Stelle treten prekäre Arbeitsverhältnisse. Denn entgegen der landläufigen Meinung, dass vor allem Helfertätigkeiten in Folge der Digitalisierung wegfallen, geht die Wissenschaft davon aus, dass im besonderen Maße Facharbeiter von dieser Entwicklung betroffen sein werden. Das festgestellte hohe Substituierbarkeitspotential bei Facharbeitern, insbesondere im produzierenden Gewerbe, beinhaltet die Gefahr, dass die stärksten Bataillone gewerkschaftlicher Gegenmacht im hohen Maß wegrationalisiert werden könnten. Eine solche Schwächung im Organisationsbereich der IG Metall würde die Kräfteverhältnisse, nicht nur in der Metall- und Elektroindustrie, zugunsten des Kapitals weiter verschieben.