Präsidial- und Parlamentswahlen 2017 in Frankreich

Jean-Luc Mélenchon und die Kommunistische Partei

Von Alexandra Liebig

Von Tours aus rief ein Kandidat der Parti Socialiste (PS) zum wiederholten Mal die Kommunisten und den Präsidentschaftskandidaten Jean-Luc Mélenchon zur Einigkeit mit den „Sozialisten“ auf. In Tours war es auch, wo 1920 nach langen Auseinandersetzungen zwischen Rechten, Zentristen und dem linken Flügel der Französischen Sozialistischen Partei die Gründung der Kommunistischen Partei Frankreichs (PCF) und deren mehrheitliche Abspaltung von den Sozialisten (Reformisten) stattfand.

Mélenchon verweigert sich konsequent diesem Versuch, das Rad der Geschichte zurückdrehen zu wollen. Er kommt selbst aus der Sozialdemokratie, was ihm das Misstrauen mancher Linker und Kommunisten einbringt. Der linke Sozialdemokrat unterhält seit Jahren enge Verbindungen zu Führungspersönlichkeiten des revolutionären Lateinamerika und steht auf dem Boden der Tatsachen, kennt die Widerstände für gesellschaftliche Veränderungen. Unterstützt wird seine Kandidatur von der Bewegung „La France insoumise“ („Rebellisches Frankreich“). Neben der Linksfront des PCF sind hier verschiedenste progressive Bewegungen, Gewerkschafter der CGT und Einzelpersonen vereint. Unterstützung kommt auch von den Propagandisten einer „ökonomischen und ökologischen Planwirtschaft“, die immerhin bisherige Theorien und Mechanismen zur Regulierung des Marktes (Planification) infrage stellen.

Das offene Programm Mélenchons nimmt Teile des Linksfront-Programms aus 2012 auf und konkretisiert sie: Neue Verfassung, Abschaffung der Verbindungen von Politik und Finanz sowie der „Präsidialmonarchie“ und des Lobbyismus: „Schutz der Allgemeingüter: Luft, Wasser, Lebensmittel, Gesundheit, Energie. Das Recht auf Eigentum muss dem Allgemeininteresse untergeordnet werden. Das Gemeineigentum muss geschützt, der öffentliche Dienst ausgebaut werden.“

Außerdem stehen im Programm das Recht auf Arbeit und Wohnung sowie die Außerkraftsetzung des liberalen Arbeitsgesetzes „El Khomri“, gegen dessen Einführung 2016 Hunderttausende auf die Straße gingen. Im Zusammenhang mit den Protesten angeklagte Gewerkschafter sollen amnestiert werden. Es gibt programmatische Aussagen gegen Krieg, für eine Bekämpfung der Ursachen von Flucht und Vertreibung sowie für eine Annullierung ungerechter Wirtschaftsabkommen.

Es gibt erste Anzeichen von lokalen Wahlbündnissen von Sozialisten und Republikanern (LR, Les Républicains), die sich gegen die Kommunisten und im gleichen Atemzug gegen Mélenchon und die ihn unterstützende Bewegung richten. „Das einzige antiliberale Programm ist das von ‚France insoumise‘ mit dem Titel: Gemeinsam für die Zukunft. Es verkündet einen entschiedenen Bruch mit dem Faschismus, der Nato, dem Krieg und der EU (Plan B). Mélenchon ist der einzige Kandidat, der der verbrannten sozialistischen Partei, die der Bourgeoisie bei ihrer Flucht nach vorn als Legende dient, den Todesstoß zu versetzen mag“, schreibt die stark im Gewerkschaftsbund CGT vertretene „Coordination Communiste“ im Norden (Lille), die mit dem PRCF (Pol zur Wiedergeburt der KP) Mélenchon unterstützt.

Pierre Laurent, Vorsitzender des PCF, erklärte Mélenchon gegenüber seine Unterstützung, will (oder muss) aber „eine autonome Kampagne des PCF“ führen“, um die „effektivsten Lösungen für eine breite Vereinigung der Linken zu suchen“. Das ist ein Ja zur Kandidatur Mélenchons, wenn auch ein halbes. Im PCF sind die gleichen Probleme wie in der Partei „Die Linke“ anzutreffen. Schon 2002 wollte Robert Hue, damals Generalsekretär, den PCF zur linken Partei „mutieren“ lassen. Das trifft auf den Widerstand derer, die eine Rückbesinnung auf Tours und die Ursprünge der Partei anstreben.

Das Programm des PCF, „Gemeinsam für Frankreich“, atmet die Kontinuität des Denkens der Reformer. Viele Wünsche sind darin enthalten, jedoch keine wissenschaftliche Analyse. So werden immer wieder Zugeständnisse an den regierenden PS möglich.

Selbst vor den Vorwahlen der PS fanden Gespräche mit sozialdemokratischen Vertretern statt, Arnaud Montebourg, ehemaliger Wirtschafts- und Finanzminister und ein Verfechter von Austeritäts-Programmen, war als Gast zum letzten Pressefest der nur noch „parteinahen“ Zeitung „Humanité“ geladen. Die schwindenden Mitgliederzahlen des PCF – an den Wahlen zum Kongress 2016 hatten sich etwa 30 000 Mitglieder beteiligt – stehen im Verhältnis zum Ablegen marxistisch-leninistischer Grundsätze. Zuletzt wurde 1994 auch der demokratische Zentralismus geopfert. 2004 trat der PCF der Europäischen Linkspartei (ELP) bei und vertritt immer noch (wie die Sozialisten 1920) die Strategie einer „revolutionären Transformation“ innerhalb des imperialistischen Systems der Europäischen Union. Der PCF-Vorsitzende Pierre Laurent ist nun Stellvertreter des ELP-Vorsitzenden Gysi.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Jean-Luc Mélenchon und die Kommunistische Partei", UZ vom 20. Januar 2017



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Stern.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit