Nach rbb-Bericht über Nazi-Hooligans wird Ausbau des „Verfassungsschutzes“ gefordert

Jahre zu spät

Von Bernd Müller

Cottbus, zweitgrößte Stadt in Brandenburg, schafft es immer wieder in die bundesweiten Schlagzeilen. Selten, dass es einen anderen Grund gibt als die Aktivitäten von Rechtsextremen. Zuletzt hatte der Landesverfassungsschutz in einem Bericht des „Rundfunks Berlin-Brandenburg“ (rbb) am 31. Januar berichtet, die einzelnen rechtsextremen Milieus wüchsen zu einem „toxischen Gebilde“ zusammen.

Oberbürgermeister Holger Kelch zeigte sich konsterniert. Wenn der Verfassungsschutz von einem „toxischen Gebilde“ spreche, dann erwarte er, so Kelch, dass darüber direkt mit den Verantwortlichen in der Stadt gesprochen werde. „Es reicht nicht, diese Sachverhalte, soweit die Medienrecherchen stimmen, nur zu konstatieren.“ Einen Vorschlag hatte Kelch selbst parat: In einem anderen rbb-Bericht forderte er den personellen Ausbau der Spitzelbehörde.

Das „toxische Gebilde“ in Cottbus ist dagegen nichts Neues. Seit Jahren warnten Antifaschisten, die – meist – lokale Presse berichtete über das Konglomerat aus Fußball-Hooligans, Rockern, Kampfsportlern, Sicherheitsdiensten, Rechtsextremisten und AfD. Das Besondere an dem rbb-Bericht: Er hebt die rechtsextremistische Gefahr zu einem Zeitpunkt hervor, an dem sich die „rot-rote“ Regierungskoalition über den personellen Ausbau des Landesverfassungsschutzes streitet. Innenminister Schröter stockte den Dienst gegen den Willen des linken Koalitionspartners von bislang 93 Stellen auf 120 auf. „Die Linke“ begründete ihre Blockadehaltung bislang damit, dass sie erst den Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses im Landtag abwarten wolle.

Hintergrund des rbb-Berichts ist die rechtsextreme Hooligan-Gruppe „Inferno Cottbus“. Vor zwei Jahren löste sie sich offiziell auf, um einem möglichen Verbot und damit verbundener Strafverfolgung zuvorzukommen. 18 Jahre lang hatte sie nahezu ungehindert die Fanszene dominieren können. Die ehemaligen Mitglieder dieser Gruppe machten trotz Auflösung weiter, wenn auch ohne ihren „Markennamen“. Heute dominieren sie die Fanszene stärker denn jemals zuvor.

Die rechtsextreme Haltung dieser Gruppe wurde von Anfang an offen zur Schau gestellt. „Inferno Cottbus 1999“ war kurz vor der Jahrtausendwende aus mehreren Fangruppierungen entstanden, darunter die „Preussen Jungz“, die von einem Cottbuser Neonazi angeführt wurden. Bereits in ihren Anfangsjahren fiel die Gruppe auf: So wurde damals der Fußballspieler Gerald Asamoah in Cottbus mit Bananen beworfen und mit Affenlauten empfangen. Bei einem Auswärtsspiel 2005 gegen die SG Dynamo Dresden wurde ein Banner mit der Aufschrift „Juden“ entrollt, um die gegnerischen Fans zu beleidigen. Im Jahr darauf wurde gegen den FC Sachsen Leipzig ein Transparent mit der Aufschrift „Ihr seid Ade – Wir sind weiß“ gezeigt, das sich auf eine antirassistische Aktion mit dem Motto „Wir sind Ade“ bezog, bei der Fans des Leipziger Vereins sich mit ihrem Spieler Adebowale Ogungbure solidarisiert hatten. Im März 2011 zeigten „Inferno“-Fans ein Banner mit dem Spruch „Ein Sieg heilt alle Wunden“, das dann so zusammengeklappt wurde, dass eine Zeitlang „Sieg heil“ zu sehen war. Derartige Vorfälle waren keine Ausnahmen, aber es wurde vom Verein und von der Stadt immer wieder weggeschaut oder nur halbherzig eingegriffen.

Wenn Verfassungsschutzmitarbeiter Heiko Homburg im rbb-Bericht feststellt, jetzt werde eine gemeinsame Subkultur mit ökonomischen Potenzial geschaffen, kommt er viele Jahre zu spät. Rechte Modelabel, Sicherheitsunternehmen, Drogenhandel, Tattoostudios und anderes mehr sind von Anfang an auch mit Führungsfiguren der Fußball-Hooligans verbunden. Dies nicht bemerkt zu haben ist unmöglich; dies jetzt erst hervorzuheben, deutet darauf hin, dass es dem Verfassungsschutz um die Legitimation seines Wachstums geht

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"Jahre zu spät", UZ vom 8. Februar 2019



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