Der Befehl zum Abfeuern von 59 „Tomahawk-Raketen“ machte US-Präsident Donald Trump für die meisten Bürgermedien zum Mann und zum Star. Endlich wieder ein Führer. An der Krönungsmesse beteiligten sich etablierte bundesdeutsche Politiker und Medien mit Begeisterung. Sie wähnten sich zurück in der Politik, die seit dem Untergang der Sowjetunion im Zeichen der „einzigen Weltmacht“ beherrschend war – die hemmungslose Bekämpfung unbotmäßiger Staaten mit allen Mitteln.
In die Euphorie mischt sich allerdings massives Unbehagen. Exemplarisch ließ „Die Zeit“ am 12. April Wolfgang Bauer schreiben, warum Trump „richtig“ gehandelt habe, und Bernd Ulrich auf derselben Seite, warum das „falsch“ gewesen sei. Beide Stellungnahmen basieren jedoch auf der unbewiesenen Behauptung, Assad sei der Urheber des Giftgasangriffes gewesen, der zur Rechtfertigung des US-Raketenschlages gedient hatte, und müsse also weg. Die Konsequenz, dass die Forderung zu einer militärischen Konfrontation mit Russland führt, hinter der Devise „Assad muß weg“ in Wirklichkeit „Putin muß weg“ steht, erörtern beide nur am Rand. Eine ernsthafte Debatte über Friedens- oder Kriegspolitik kann unter solchen Voraussetzungen nicht stattfinden.
Die Lektüre ist so von begrenztem Wert, insbesondere Bauers Text hantiert mit Albernheiten. So glänzt er mit Versatzstücken der Verblödungspropaganda wie dem, der Westen habe „tatenlos“ seit sechs Jahren „der Eskalation der Gewalt“ zugesehen. Die Gründer, Förderer und Lieferanten der in Syrien tätigen Kopfabschneiderbanden und „moderaten“ Milizen fielen offenbar vom Himmel. Laut Bauer kämpft der Westen gegen den IS, „um sich selbst zu schützen“. „Wir“ glaubten, „dass von Baschar Al-Assad für uns und den Weltfrieden keine Gefahr“ ausgehe und täuschten „uns“. Der Westen verschwendet demnach seine Kräfte, womit Trump „endlich“ Schluss gemacht hat. Wer einen Wolfgang Bauer hat, darf auf den normalen „Zeit“-Unfug rechnen.
Da ist Ulrich von anderem Kaliber. Er hält den Angriff vom 7. April für die Rückkehr zur falschen Politik der Amtsvorgänger Trumps. Der Raketenschlag selbst markiere wegen seiner Begrenztheit „gar nichts“. Das gleichzeitige „Polittheater“ in Funk und Fernsehen stamme aus der Zeit, „als die USA im Zenit ihrer Macht standen, nun allerdings befinden sie sich im Niedergang.“ Es sei keine „Demonstration der Stärke“ gewesen, sondern eine „amerikanischer Ohnmacht“ wie auch der Flottenaufmarsch vor Nordkorea. Bleibe Trumps mögliche Bereitschaft, „höhere Risiken einzugehen als die Gegenseite“. Ulrich: „Das ginge dann aber womöglich in Richtung Weltkrieg.“
Das ist bei ihm weniger Realismus als Kalkül. Denn die Schlussfolgerung des „Zeit“-Redakteurs lautet ungefähr: Gegen den amerikanischen Niedergang kommt keiner an, also sind „wir“ zur Führung gezwungen. So maßlos Bauers Albernheiten über den Syrien-Krieg sind, so weit hängt sich Ulrich in seinem „antiamerikanischen“ Furor teutonicus aus dem Fenster, und formuliert z. B.: „So wenig, wie es ‚vernünftige Leute hinter Trump’ gibt, so wenig liegt zur Zeit in irgendeiner Washingtoner Schublade eine ‚vernünftige amerikanische Außenpolitik’, zu der sich zurückkehren ließe.“ Ohnehin müsse man nach den Erfahrungen im Umgang mit Russland, Nordkorea, China, Syrien oder Mittleren Osten, „nach all den Ungenauigkeiten und Überheblichkeiten, nach all der bodenlosen Fahrlässigkeit sagen: Die Amerikaner können es einfach nicht.“ Sie hätten „ihren politischen und militärischen Führungsanspruch bis auf Weiteres verwirkt“.
Was bleibt nach solch vernichtendem Urteil? „Mit Trump kann Europa in keinen Krieg ziehen, niemals, nirgends“. Das soll wohl heißen: Die Kriege müssen „wir“ in Zukunft allein anzetteln. Das schließt bei Ulrich ein: „Ja, wir können“. Diese Maxime erlebt gerade ihren Stapellauf in Richtung Hegemonie. Die deutschen Imperialisten haben laut nachzudenken begonnen.