Der Traum von Meistertitel ist ausgeträumt

Ist wirklich so

Von Karl Rehnagel

Wir werden immer weniger, gerade mal noch fünf waren gekommen, das Fußballgucken im Rudel scheint sich selber aufzulösen. Die schöne M. mit Kopftuch, Gartenbro A. in Leder, M. mit halbem Herzen und U., der Mann ohne Zähne und, wenn er so weitermacht, bald ohne Körper. Statt wie vom Arzt befohlen mal dringend fünf Kilo zuzunehmen, hatte er es während der letzten zwei Wochen und einer Erkältung geschafft, fünf Kilo abzunehmen. Ein wackeliger Strich in der Landschaft mit röchelnden Anekdoten von ganz, ganz früher. Ist wirklich so.

Dortmunds Spiel war wie so viele in dieser Saison: Mit einigen Höhen und Zaubertricks vom Feinsten, viel Leerlauf und dann wieder kapitalen Böcken und dem kompletten Einbruch. Bruder S. aus Berlin funkte „Favres Lieblingsspieler Mo Der Hut“, womit er Mahmoud Dahoud meint und völlig recht hat. Auch ich habe keinerlei Ahnung was unser Trainer an diesem Spieler findet und warum der in Schwarz und Gelb auflaufen darf. Die Böcke schossen andere, aber trotzdem: Mo Der Hut könnte eine herausragende Rolle spielen, bei UFC Haudraufwienix Berlin zum Beispiel, in der Freizeitliga. Mehr aber auch nicht. Wer solche Spieler einwechselt oder einwechseln muss, weil er keine besseren hat, kann in diesem Leben nicht deutscher Fußballmeister werden. Ist wirklich so.

Die Bayern sind nun also vier Punkte weg, nach einem schäbigen Sieg gegen Hannover. Das war es gewesen. Auch für Hannover, die endlich absteigen dürfen. Nürnberg darf auch gehen, nach einem 0:2 gegen Wolfsburg. Tschüss. Der „Derbysieger“ von letzter Woche lieferte ein grauenvolles 0:0 zu Hause gegen Augsburg. Und anscheinend pfiff kein einziger Zuschauer, zu groß war die Freude über die Rettung in Liga Eins. Schalker eben. Frankfurt ging 1:6 gegen Leverkusen unter. Krass. Gott sei Dank trotzte Mainz den ekeligen Leipziger Dosen ein 3:3 ab, ich würde sicherlich mein Trikot wegschmeißen, wenn dieser „Traditionsverein“ noch an uns vorbeiziehen würde. Ist wirklich so.

Vorbeiziehen tut dann auch der Abend, noch ein Bier mit der schönen M. und ab nach Hause. Sie nimmt mich wie immer zum Abschied in den Arm und macht heute Abend wie immer „nichts mehr“. Ich schaffe wenigstens noch die neue Folge von „Game of Thrones“ zu schauen. Die einzige Serie, die ich gucke, und das darf ich, weil ich alle neun Bände der Reihe auch gelesen habe, geschätzt 12 Millionen Seiten also. Jedenfalls ist die Serie eine hübsche Ablenkung von der heilen, klinisch sauberen und völlig überteuerten neuen Fußballwelt. Früher gab es wenigstens noch richtige Typen, die ihre Schachtel Kippen erst weglegten, wenn der Trainer das Umziehen befahl. Oder wie Ansgar Brinkmann, der weiße Brasilianer, der in seiner aktiven Zeit Folgendes auf seinen Anrufbeantworter sprach: „Ich bin bis 5 Uhr in meiner Stammkneipe erreichbar.“ Und das stimmte auch. Ist wirklich so.

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"Ist wirklich so", UZ vom 10. Mai 2019



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