Nachdem im September 2021 eine Mehrheit der Berliner Wähler beim Volksentscheid zur „Enteignung“ großer privater Immobilienbestände mit „Ja“ gestimmt hatte, wurde zunächst eine Expertenkommission gebildet, die juristisch prüfen sollte, ob das funktionieren könnte. Tatsächlich handelt es sich bei dieser „Enteignung“ um einen von Senatsseite angeordneten Rückkauf vor allem jener öffentlichen Immobilienbestände, die in den Jahren 2007 bis 2013 durch den Berliner Senat verramscht worden waren. Die Expertenkommission besteht aus jeweils drei von SPD, Grünen, „Linken“ sowie der Kampagne „Deutsche Wohnen & Co. enteignen!“ benannten Vertretern. Am 28. Juni legte sie ihren 154-seitigen Abschlussbericht vor.
Dass die Kommission ein an die Vorstellungen der Kampagne angelehntes Gesetzesvorhaben zur „Enteignung“ mehrheitlich als „rechtlich zulässig“ einschätzt, verwundert kaum, denn Grüne und „Linke“ hatten im Wahlkampf 2021 mit dem Anliegen der Kampagnenmacher Wahlkampf betrieben, und auch in der SPD gab es Stimmen dafür. Auch wenn Aktivisten der Kampagne beim Entstehen der Expertenkommission geäußert hatten, sie diene lediglich zur Verzögerung, scheinen sich die Zeichen zu mehren, dass sie Teil bloßer „linker“ Symbolpolitik ist. Vage mutet der in der Öffentlichkeit als „positiv“ wahrgenommene Abschlussbericht der Kommission an. Zum Beispiel halten die Experten bei der Höhe der Entschädigungssumme „in begrenztem Umfang größere Abschläge“ vom Verkehrswert der Immobilien für möglich, betonen aber gleichzeitig, dass sich eine Entschädigung am Verkehrswert der Immobilien orientieren muss. Allein die Frage der Entschädigung wird auf insgesamt fünf Seiten in insgesamt 16 Unterpunkten behandelt. Erwartbar euphorisch jubeln die Stimmen aus den Reihen der Kampagnenbefürworter. Ebenso erwartbar ablehnend und skeptisch klingen die Stimmen von SPD, CDU und Immobilienvertretern. Die mittlerweile vom Großkonzern Vonovia geschluckte „Deutsche Wohnen“ erklärte, dass sie Enteignungen für falsch halte. In Berlin gebe es „substanziellen Mangel an bezahlbarem und energetischem Wohnraum“ und durch eine Vergesellschaftung werde massiv öffentliches Kapital gebunden. Was den Wohnraummangel angeht, möchte man nicht widersprechen, aber die „Deutsche Wohnen“ baut wie alle privaten Großkonzerne keine neuen Wohnungen, sondern zieht ausschließlich Profit aus ihrem zusammengekauften Bestand. Und dass sich eine Immobilien-AG um die öffentlichen Kassen sorgt, aus denen sie Dutzende Milliarden für Wohnungsbestände kassieren kann, für deren Kauf zuvor lediglich ein Bruchteil bezahlt werden musste, ist ebenfalls scheinheilig. Der Regierende CDU-Bürgermeister Kai Wegner und sein Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) versicherten, möglichst schnell ein Vergesellschaftungsrahmengesetz erstellen zu wollen, das ausdrücklich auch auf andere Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge, zum Beispiel Energieunternehmen, ausgerichtet sein soll.
Was sozialistisch klingt, hatten CDU und SPD bereits im Koalitionsvertrag vereinbart und ist keineswegs fortschrittlich. Im Kapitalismus werden sogenannte Enteignungen immer nur gegen finanzielle Entschädigung laufen, die von bürgerlichen Gerichten bestimmt wird. Das hat die Expertenkommission bestätigt. Eine derartige „Vergesellschaftung“, egal in welchem Sektor, wird immer dann erfolgen, wenn die Bestände für die Konzerne unrentabel werden. Dazu braucht nicht einmal eine Immobilienblase zu platzen. Es reicht, dass Wohnungen derart heruntergekommen sind, dass sie teuer saniert werden müssen oder dass bei Gebäuden eine hohe Asbestbelastung bekannt wird. Dann haben Konzerne genug an ihnen verdient, und wenn sich die Immobilienpreislage dazu noch auf einem Rekordhoch befindet, verkaufen sie sehr gern ihre Immobilien. In Berlin gab es derartige Fälle – ganz freiwillig hatte sich die „Deutsche Wohnen“ im September 2021 von rund 15.000 Wohnungen getrennt, zum Preis von 2,5 Milliarden Euro. Es handelte sich um sanierungsbedürftige Schrottimmobilien, hauptsächlich Westberliner Neubauten aus den 1970er Jahren. Sie gehören jetzt zum Bestand der landeseigenen Wohnungsgesellschaften. Dass sie bereits saniert wurden, darf bezweifelt werden, und wir wissen auch nicht, wie hoch die Kosten dafür wären. Die Mieten allerdings dürften trotz „Enteignung“ nicht gesunken sein.