Die VVN-BdA in Bayern klagt weiter gegen die Diffamierung durch die CSU-Regierung

Ist Antifaschismus verfassungsfeindlich?

Von VVN–BdA Landesvereinigung Bayern/UZ

Anders als im Bund und anderen Bundesländern wird die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) in der Rubrik „Linksextremismus“ des bayerischen Verfassungsschutzberichts genannt. Die VVN-BdA Bayern hat dazu in einer Flugschrift Stellung genommen und bittet um Unterstützung.

In der Flugschrift heißt es:

„Ist Antifaschismus verfassungsfeindlich? Durch diese Nennung wird unsere Organisation diffamiert: Antifaschismus ist nicht verfassungsfeindlich, sondern ein Pfeiler der Demokratie.

Dies ist ein Grund, warum die bayerische VVN-BdA gegen die CSU-Staatsregierung auf Streichung des Verfassungsschutzeintrags klagt.

Ein weiterer Grund: Mit der Nennung wird unsere Organisation auch finanziell bedroht, denn laut Bundesabgabenordnung wird Vereinen, die im Verfassungsschutzbericht „des Bundes oder eines Landes“ aufgeführt sind, automatisch die Gemeinnützigkeit entzogen.

Am 2. Oktober 2014 fand die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht München statt. Unsere Klage wurde abgewiesen. Wir haben deshalb die Zulassung der Berufung beantragt; die Auseinandersetzung geht also weiter.“

Vorgeworfen wird der VVN-BdA (1) ein „kommunistisch orientierter Antifaschismus“, „der in dieser Form nicht nur dem Kampf gegen Rechtsextremismus diene, sondern der alle nichtmarxistischen Systeme – also auch die parlamentarische Demokratie – als potenziell faschistisch, zumindest aber als zu bekämpfende Vorstufe zum Faschismus betrachtet.“ (Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 2.10.2014, AZ M 22 K 11.2221, S. 23, vgl. auch Verfassungsschutzbericht Bayern 2010, S. 215)

(2) wird ihr ein „maßgeblicher Einfluss von Linksextremisten“, vor allem der DKP vorgeworfen. und werden Zeitzeugen diffamiert.

In der Flugschrift heißt es dazu: „Zum unüberbietbaren Skandal wird die Argumentation, wenn man betrachtet, wer sozusagen als „kommunistischer Agent in der VVN-BdA“ herhalten muss: Ernst Grube – ein Überlebender des KZ Theresienstadt, noch in hohem Alter unermüdlich unterwegs, um als Zeitzeuge über die Verbrechen des NS-Regimes aufzuklären, der dafür vielfach ausgezeichnet und anerkannt wurde – auch von der CSU-Staatsregierung.

Und trotzdem lässt Innenminister Hermann z. B. im Verfassungsschutzbericht von 2009 schreiben: ‚Öffentliche Zeitzeugenauftritte von früheren KZ-Häftlingen sollen der [VVN-BdA] einen demokratischen Anstrich verleihen’ (VS-Bericht 2009, S. 184). Damit war wohl ein Höhepunkt der Diffamierung der Zeitzeugenarbeit gegen das Vergessen, des Lebenswerkes von Anni Pröll, Ernst Grube, Martin Löwenberg, Hugo und Hermann Höllenreiner und vielen anderen NS-Verfolgten erreicht. Auf die Herabwürdigung von Ernst Grube durch namentliche Nennung im Verfassungsschutzbericht hat die Staatsregierung mittlerweile verzichtet. Für den Prozess aber wurde die Diffamierung wieder aus der antikommunistischen Mottenkiste hervorgeholt. Kein Mittel ist hier der Staatsregierung zu billig – Hauptsache, die VVN-BdA kann mit dem Etikett ‚kommunistisch’ belegt werden.“ So wurde etwa im Verfassungsschutzbericht 2013 einer Funktionärin der VVN-BdA unterstellt, in Regensburg einen Infostand einer kommunistischen Organisation geleitet zu haben; diese Unwahrheit musste inzwischen ‚geschwärzt’ werden (…).“

Zudem gilt der bayerischen Staatsregierung jeder/jede als „Linksex­tremist“, die die „Soziale Marktwirtschaft“ kritisch hinterfragen oder gar über Alternativen zu ihr nachdenken.

Genauso absurd ist (3) der Vorwurf an die VVN-BdA, sie befürworte Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung.

In der Flugschrift heißt es unter anderem: „Als ‚gewaltorientiert’ betrachtet der Verfassungsschutz schon alle autonomen Gruppen, die es für legitim halten, Aufmärsche von Neonazis zu blockieren. So wird als Beleg für den genannten Vorwurf angeführt, dass von einer Kreisvereinigung der VVN-BdA ein „antifaschistisches Jugendcamp“ organisiert wurde, an dem neben Zeitzeugen auch ‚Autonome’ teilnahmen und bei dem ein „Blockadetraining“ angeboten wurde. Weiß der ‚Verfassungsschutz’ nicht, dass bei einem Blockadetraining gerade die gewaltfreie Durchführung von Blockaden trainiert wird? Konkret wird der VVN-BdA die Teilnahme an den Blockaden der NPD-Aufmärsche in Dresden 2010 und 2011 vorgeworfen.“

„(…) Dass das Bayerische Innenministerium und seine Behörde „Verfassungsschutz“ die Gefahr der extremen Rechten seit langem verharmlosen und stattdessen die Gefahr „von links“ in den Vordergrund stellen, zeigt sich schließlich in der Kriminalisierung des von uns (und vielen anderen) verwendeten Mottos „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“. Der Freistaat hatte dazu in seiner Klageerwiderung ausgeführt, der Satz sei mit der FDGO nicht vereinbar, somit verfassungsfeindlich, denn er bestreite das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dem schloss sich das Gericht mit der Begründung an: „Die […] oft geäußerte Parole „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ […] dient […] schlicht der Bekämpfung und Diskreditierung missliebiger anderer Meinungen.“ (Urteilsbegründung, S. 25)“

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"Ist Antifaschismus verfassungsfeindlich?", UZ vom 8. Juli 2016



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