G20-Gipfel auf Bali fordert Diplomatie und Dialog. Differenzen bei Bewertung von Ukraine-Krieg und Sanktionen.

Isolierung Russlands gescheitert

Ernährungs- und Energiesicherheit, Klimawandel, Kampf gegen die Covid-19-Pandemie, digitale Wirtschaft und Korruptionsbekämpfung, Ukraine-Krieg und Wirtschaftssanktionen – die Themen auf dem G20-Gipfel auf Bali in der vergangenen Woche waren vielfältig und anspruchsvoll. Lange und intensiv hat die Gruppe führender Industrie- und Schwellenländer verhandelt. Unter Benennung von Differenzen hinsichtlich des Ukraine-Krieges wurde am Ende auf der indonesischen Insel eine gemeinsame Abschlusserklärung angenommen. Glaubt man deutscher Politik und Presse, sieht das Ergebnis recht klar aus: „Der russische Präsident steht mit seiner Politik in der Welt fast alleine da“, lässt das Kanzleramt verlauten. „Russland gehen die Freunde aus, das bekommt Putin nun schwarz auf weiß“, bilanziert das deutsche Magazin „Stern“ das G20-Treffen. Das reichweitenstarke Portal „t-online“ jubelt: „Der Westen feiert: Die Abschlusserklärung des G20-Gipfels ist eine krachende Niederlage für Putin.“ Und Springers „Bild“ behauptet: „Jetzt ist die ganze Welt gegen Moskau.“

Ganze 52 Punkte umfasst die gemeinsame Abschlusserklärung der Staats- und Regierungschefchefs der G20. In der von der Bundesregierung verbreiteten deutschen Übersetzung ist das Papier 22 Seiten lang. Drei Punkte berühren den Ukraine-Konflikt, und das eben differenzierter als die Schlagzeilen und das kolportierte Schwarz-Weiß. Bekräftigt werden demnach die bisherigen „nationalen Positionen, wie wir sie in anderen Foren zum Ausdruck gebracht haben“, darunter im UN-Sicherheitsrat und in der UN-Generalversammlung. Weiter heißt es in Punkt 3: „Die meisten Mitglieder verurteilten den Krieg in der Ukraine auf das Schärfste und betonten, dass er immenses menschliches Leid verursacht und bestehende Verwundbarkeiten der Weltwirtschaft verstärkt – er hemmt Wachstum, erhöht die Inflation, unterbricht Lieferketten, verschärft Energie- und Ernährungsunsicherheit und erhöht die Risiken für die finanzielle Stabilität. Es gab andere Sichtweisen und unterschiedliche Bewertungen der Situation und von Sanktionen.“ Schließlich wird anerkannt, „dass die G20 nicht das Forum für die Lösung sicherheitspolitischer Fragen ist“.

Entscheidend sei, heißt es in Punkt 4, „Völkerrecht und das multilaterale System zur Gewährleistung von Frieden und Stabilität zu wahren. Dazu gehört auch, alle in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegten Ziele und Grundsätze zu verteidigen und das humanitäre Völkerrecht einzuhalten, darunter den Schutz von Zivilbevölkerung und Infrastruktur in bewaffneten Konflikten. Der Einsatz oder die Androhung des Einsatzes von Kernwaffen ist unzulässig. Entscheidend sind die friedliche Konfliktbeilegung, Bemühungen zur Krisenbewältigung sowie Diplomatie und Dialog. Unsere Zeit darf nicht eine des Krieges sein.“ Damit wird nicht nur die russische Kriegführung kritisiert, sondern eben auch die Absage an Verhandlungen, wie sie von westlichen Regierungen und der ukrainischen Führung kommt. Kiew hat Gespräche mit Moskau über einen möglichen Kompromissfrieden bekanntlich per Präsidialdekret unter Strafe gestellt. Rückhalt für die westliche Praxis endloser Waffenlieferungen an die Ukraine oder für den Wirtschaftskrieg gegen Russland gibt es von Bali nicht.

Indiens Premierminister Narendra Modi bekräftigte auf Bali die Position seines Landes zugunsten von Dialog und Diplomatie. „Ich habe wiederholt gesagt, dass wir einen Weg finden müssen, um in der Ukraine zum Weg der Waffenruhe und der Diplomatie zurückzukehren“, so der Regierungschef, der ab 1. Januar nächsten Jahres den G20-Vorsitz von Indonesien übernimmt. „Im vergangenen Jahrhundert hat der Zweite Weltkrieg in der Welt Verwüstung angerichtet. Danach haben die damaligen Führer ernsthafte Anstrengungen unternommen, um den Weg des Friedens zu beschreiten. Jetzt sind wir an der Reihe.“

In der westlichen Berichterstattung weitgehend unterschlagen wird die Kritik an den Sanktionen mit ihren verheerenden Folgen für die globale Ernährungssicherheit. So begrüßen die Gipfelteilnehmer in Punkt 8 der Bali-Erklärung ausdrücklich „die beiden von der Türkei und den Vereinten Nationen vermittelten und am 22. Juli 2022 unterzeichneten Istanbuler Abkommen, die aus der Initiative zur sicheren Beförderung von Getreide und Lebensmitteln aus ukrainischen Häfen (Schwarzmeer-Getreide-Initiative) und der Absichtserklärung zwischen der Russischen Föderation und dem Sekretariat der Vereinten Nationen über die Förderung russischer Nahrungs- und Düngemittel auf den Weltmärkten bestehen, deren Ziel die ungehinderte Ausfuhr von Getreide, Lebensmitteln und Düngemitteln/Vorleistungsgütern aus der Ukraine und der Russischen Föderation ist, um Spannungen abzubauen und globale Ernährungsunsicherheit und Hunger in Entwicklungsländern zu verhüten“. Wichtig sei „ihre uneingeschränkte, zügige und fortwährende Umsetzung durch alle Beteiligten“. Man muss darin insbesondere einen Aufruf an den Westen erkennen, die Blockade russischer Getreide- und Düngemittellieferungen endlich aufzuheben. In europäischen Häfen sollen mittlerweile 300.000 Tonnen russischer Dünger beziehungsweise Rohstoffe dafür festliegen. Tatsächlich wurde nach dem Gipfel nicht nur die Schwarzmeer-Getreide-Initiative um weitere 120 Tage verlängert, erstmals werden auch in der EU festgesetzte russische Güter freigegeben. Am Montag sollte ein Schiff den Hafen Rotterdam mit 20.000 Tonnen Dünger verlassen. Russland hat sich in dem Fall behauptet und spendet die Güter nun an Malawi in Afrika.

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"Isolierung Russlands gescheitert", UZ vom 25. November 2022



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