USA, BRD und Britannien wollen Raketen in die Ukraine liefern. Kiew reicht das nicht. KPRF klagt „barbarische“ Strategie Selenskis an

Internationales Banditentum

Britannien hat nach den Worten des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenski die Lieferung von Raketenwerfern bestätigt. Das habe ihm Premierminister Boris Johnson in einem Telefonat am Montag dieser Woche gesagt. Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace hatte zuvor erklärt, mit dem Waffensystem könnten Ziele in einer Entfernung von bis zu 80 Kilometer erreicht werden. Ukrainische Soldaten sollten in Britannien für den Einsatz der neuen Waffensysteme ausgebildet werden. In offenbarer Begeisterung über die Kriegsverlängerung hatte „spiegel.de“ die Nachricht zunächst mit der Überschrift, London liefere „Langstreckenraketen“ an Kiew, versehen.

Britannien folgt den USA: Bereits am 31. Mai hatte US-Präsident Joseph Biden angekündigt, Kiew noch einmal für insgesamt 700 Millionen US-Dollar (652 Millionen Euro) Waffen zu liefern, darunter Mehrfachraketenwerfer des in den USA hergestellten Artilleriesystems HIMARS. Die Ukraine habe zugesichert, damit keine Ziele auf russischem Territorium anzugreifen. Biden hatte in einem Gastbeitrag für die „New York Times“ versichert: „Wir wollen keinen Krieg zwischen der NATO und Russland.“ Die USA versuchten auch nicht, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu stürzen. Er behauptete zugleich entgegen der eigenen Ankündigung: „Wir wollen den Krieg nicht verlängern, nur um Russland Schmerzen zuzufügen.“ Am 1. Juni hatte auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag die Lieferung von Mehrfachraketenwerfern angekündigt, ließ den Zeitpunkt aber offen.

Der Westen reagiert mit solchen Ankündigungen offenbar auf den Vormarsch der russischen Streikräfte im Donbass. In der Stadt Sewerodonezk im Gebiet Lugansk geriet die Armee Kiews nach Berichten vom Montag unter Druck. Die russischen Truppen rückten zugleich auf die Stadt Slawjansk in der Region Donezk vor. Bei einem russischen Raketenangriff auf Kiew am Sonntagmorgen wurden unter anderem vom Westen gelieferte Panzer zerstört, Tote und Verletzte gab es nicht.

Kiew beantwortet den russischen Vormarsch mit Terror gegen die Zivilbevölkerung des Donbass. Das geht aus einer Erklärung des Vorsitzenden des ZK der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF), Gennadi Sjuganow, vom 1. Juni hervor. Er schrieb, Donezk sei in diesen Tagen „unter den schwersten Beschuss seit acht Jahren“ gekommen. Erneut seien Dutzende Bürger getötet und verwundet worden, weil nicht auf militärische Einrichtungen geschossen werde, sondern auf Schulen, Krankenhäuser und Wohngebäude. Der Beschuss erfolge mit US-Langstreckenhaubitzen vom Typ M777: Das sei „die barbarische Strategie von Selenski und seinen westlichen Puppenspielern“. Sjuganow weiter: „Auf diese Weise werden die US-Behörden einmal mehr zu Sponsoren des internationalen Banditentums.“

Der Kiewer Führung reichen die angekündigten Waffenlieferungen demgemäß nicht. Kriegsminister Oleksi Resnikow erklärte am Freitag, es sei nicht genug, um die russischen Streitkräfte aus dem Land zu drängen und den Krieg zu gewinnen: „Wir brauchen mehr, um eine ausreichende Gegenoffensive starten zu können.“ Am selben Tag teilte Selenski mit, die russische Armee kontrolliere 20 Prozent des Territoriums der Ukraine.

Entsetzen lösen in Kiew die sich häufenden Anzeichen aus, dass die antirussische Front des Westens Risse bekommt. Erst am Freitag konnte die EU sich nach zähem Streit vor allem mit Ungarn auf ein sechstes Sanktionspaket gegen Russland und ein Teilembargo für Öl einigen. Am selben Tag wiederholte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron seine Warnung vor einer „Demütigung“ Russlands. In einem Interview sagte er, es müsse möglich sein, an dem „Tag, an dem die Kämpfe enden“, einen „diplomatischen Ausweg zu beschreiten“. Kiewer Politiker reagierten darauf mit den bei ihnen üblichen Pöbeleien. Stirnrunzelnd kommentierte auch die konservative „Neue Zürcher Zeitung“ am Samstag: „Macron und Scholz agieren, als sei das Schicksal der Ukraine für sie zweitrangig.“

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"Internationales Banditentum", UZ vom 10. Juni 2022



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