Mit dem ihr eigenen Sinn für historische Daten hat die US-Regierung den Beginn der Sanktionen gegen Iran auf den 4. November festgesetzt. Vor 39 Jahren, am 4. November 1979, hatten iranische Studenten die Teheraner US-Botschaft gestürmt und 66 Mitglieder des Botschaftspersonal als Geiseln genommen. Die Geiselnahme endete nach 444 Tagen pünktlich mit der Amtsübernahme Ronald Reagans. Nun wieder der 4. November. Wir haben noch eine Rechnung offen, sollte die Botschaft in Richtung Teheran wohl heißen.
US-Finanzminister Steven Mnuchin konnte am 8. November stolz verkünden, dass die iranische Zentralbank vom internationalen Zahlungssystem SWIFT (Society for Wordwide Interbanking Financial Telecommunication) abgekoppelt ist. Es sei „die richtige Entscheidung, um die Integrität des internationalen Finanzsystems zu schützen“. SWIFT ist eine angeblich neutrale Gesellschaft mit Sitz in La Hulpe, nahe Brüssel, die mit nahezu allen Staaten der Erde verbunden ist und den globalen Zahlungsverkehr ermöglicht. Unter der Parole „Terrorabwehr“ kontrollieren allerdings de facto NSA und CIA die Datenströme. Während Terrorstaaten wie Israel oder Saudi-Arabien selbstredend nicht von SWIFT sanktioniert werden, ist nun Iran praktisch zahlungsunfähig gestellt. Zusätzlich müssen alle, die weiterhin in Dollar mit Iran handeln, ihrerseits mit drastischen Sanktionen von Seiten der US-Justiz rechnen. Irans Führung habe die Entscheidung zu treffen, dass ihre Leute etwas zu Essen haben und dass sie ihren Reichtum nicht zur Destabilisierung der Region ausgeben solle, meinte Mnuchin. In Washington ist man offensichtlich der Meinung, dass man das im Verein mit Israel und Saudi-Arabien auch gut allein hinbekommt. Das klare Ziel, wie 1953, heißt: Regime Change in Teheran. Und um das hinzubekommen, müssen Millionen leiden oder sterben. „In den vergangenen Monaten hat unsere Bevölkerung schwierige Zeiten erlebt, und es ist möglich, dass auch die nächsten Monate schwierig werden“, sagte der iranische Präsident Hassan Rohani.
Die Wiederinkraftsetzung der Obama-Sanktionen, die nach dem Atomdeal (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPOA) 2015 ausgesetzt worden waren, dürfte gravierende Folgen für die iranische Wirtschaft haben. Auch wenn Washington „großzügig“ einige Ausnahmen genehmigt. Europäische Konzerne haben trotz vollmundiger europäischer Erklärungen, wie die von Außenminister Heiko Maas, in nüchterner Abwägung des Kräfteverhältnisses und unter dem Applaus des Weißen Hauses mit dem Auszug aus Iran begonnen. Europa spielt in der Region nicht wirklich eine Rolle und die Bundesrepublik erst recht nicht. An der Iran-Politik wird deutlich, dass die mit dem wohlfeilen Trump-Bashing eingeleitete Absetzbewegung vom Großen Bruder vor allem eine propagandistische und aufrüstungspolitische ist.
Allerdings ist die Welt heute eine andere als 1953, als CIA und MI6 Mohammad Mossadegh aus dem Amt und den Schah auf den „Pfauenthron“ puschten. Peking und Moskau arbeiten seit 2014 an Alternativen zu SWIFT, um aus dem Dollar-Zwang heraus zu kommen. Russland als großer Energie-Exporteur dürfte das von der Russischen Zentralbank entwickelte „System for Transfer of Financial Messages“ (SPFS) und auch die Zahlung in Euro popularisieren können. Der Wirtschafts-Riese China ist über sein „Cross-Border Inter-Bank Payments System“ (CIPS) schon jetzt mit zahlreichen Staaten und Kontinenten verbunden. Wie am Wochenende auf dem ASEAN-Gipfel deutlich wurde, scheut die Führung der Volksrepublik auch vor der offenen Konfrontation mit dem Imperium nicht zurück. Die aggressive US-Regime-Change-Politik dürfte den Prozess der De-Dollarisierung wie auch den der eurasischen Integration trotz aller Schwierigkeiten deutlich vorantreiben. Und damit würde sich die Fähigkeit des Imperiums, missliebige Staaten durch einen komplexen Handels- und Finanzkrieg in die Knie zwingen zu können, erheblich reduzieren.
So ist kaum zu erwarten, dass Washington die iranischen Ölexporte wie gewünscht „auf Null“ reduzieren kann. Seit Mai überschwemmen zwar die USA, Russland und Saudi-Arabien die Welt mit Rohöl, um eventuelle Engpässe auszugleichen. Die globale Ölproduktion ist seither um 1,8 Millionen Barrel am Tag gestiegen. Die iranische Produktion liegt bei etwa 4 Millionen Barrel am Tag. Um die aktuellen iranischen Exportzahlen gibt es wegen der Sanktionsdrohungen ein ziemliches Verwirrspiel. Zudem wird viel Öl gebunkert, auf Schiffen oder an Land. Klar ist aber, dass große Player wie China, Südkorea, Japan, Indien und die Türkei erst einmal auf iranisches Öl angewiesen sind. Allein in die Volksrepublik gehen ein Drittel der iranischen Exporte. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob und wie sich dieser Bedarf und das iranische Angebot geeignete Wege suchen. Es werden notwendig Wege sein, die außerhalb der Kontrolle des Imperiums liegen. Im Effekt scheint Washington gerade seine eigene Währungsdominanz zu kannibalisieren.