Insgesamt unbefriedigend

Werner Sarbok im Gespräch mit Siw Mammitzsch

Eine Million fehlende Wohnungen in Deutschland, Neubauzahlen, die deutlich hinter dem Bedarf zurückbleiben, Sozialwohnungsbestände, die weiter schrumpfen, stark ansteigende Wiedervermietungs- und jetzt auch Bestandsmieten – die wohnungspolitische und mietrechtliche Bilanz der Bundesregierung fällt aus unserer Sicht unbefriedigend aus“, erklärte der Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB), Dr. Franz-Georg Rips, auf einer Pressekonferenz der Mieterorganisation in Berlin im Vorfeld des 67. Deutschen Mietertages. Darüber sprach die UZ mit Siw Mammitzsch von der Mietergemeinschaft Essen e. V.

UZ: Die Zahl der Sozialwohnungen nimmt weiterhin ab. Wie viele Sozialwohnungen müssten denn jährlich fertig gestellt werden, um den Bedarf zu decken?

Siw Mammitzsch ist Geschäftsführer­in der Mietergemeinschaft Essen e. V. und war Delegierte auf dem Mietertag am vergangenen Wochenende.

Siw Mammitzsch ist Geschäftsführer­in der Mietergemeinschaft Essen e. V. und war Delegierte auf dem Mietertag am vergangenen Wochenende.

Siw Mammitzsch: Angesichts der Tatsache, dass jährlich zwischen 45 000 und 50 000 Wohnungen aus der Sozialbindung herausfallen, brauchen wir mindestens das Doppelte an fertig gestellten Wohnungen im sozialen Wohnungsbau. Der Bedarf wird damit auch nicht sofort gedeckt, aber der Bestand zumindest langsam wieder erhöht.

UZ: Der Deutsche Mieterbund stellt fest, dass die Mieten ungebremst weiter steigen. Wer treibt die Mieten höher?

Siw Mammitzsch: Diese Frage könnte man einfach beantworten: die Eigentümer. Aber wer sind sie und warum steigen ausgerechnet jetzt die Mietpreise so stark? Bei der Frage nach den Eigentümern interessieren uns zuerst die Kapitalgesellschaften oder Investmentfonds, also die renditeorientierten Großvermieter. Deren selbst konstruierte Funktionsweise beruht darauf, dass immer eine bestimmte Renditenhöhe erzielt werden muss, sonst droht das Konstrukt zusammenzubrechen. Das treibt immer neue Stilblüten, die die Mieter zahlen müssen. Deshalb fordert der DMB nun einen eigenen gesetzlichen Rahmen nur für diese Unternehmen.

Wir müssen aber auch feststellen, dass immer mehr kommunale Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften die Mietpreise nach oben treiben. Angetrieben wurde diese Entwicklung seit dem Wegfall der Wohnungsgemeinnützigkeit 1989. Seit einiger Zeit fordert daher nicht nur der Mieterbund eine Neugestaltung und -einführung einer Gemeinnützigen Wohnungswirtschaft.

Insbesondere dort, wo Wohnraum knapp ist, schießen die Mieten durch die Decke. Viele Menschen wurden bereits verdrängt. Die Politik hat diese Verknappung und damit Verteuerung mit zu verantworten. Dabei ist die Wohnung ein ganz besonderes Sozialgut, welches besonderen Schutzes bedarf.

UZ: Der Deutsche Mieterbund kommt zu der Auffassung, dass die Mietpreisbremse nicht funktioniert. Ist das verwunderlich oder wäre nicht ein stärkeres Instrument notwendig gewesen, um die Mieten nicht aus dem Ruder laufen zu lassen?

Siw Mammitzsch: Das Gesetz zur Mietpreisbremse war von Beginn an mit großen Fehlern behaftet. Selbst wenn es mehr Möglichkeiten hätte, gilt die Bremse nicht überall, sie müsste flächendeckend eingeführt werden. Insgesamt wird aber eine Verbesserung nicht viel bringen. Man muss das Kapital schon konsequenter an die Leine legen.

UZ: Wie bewertet die Mietergemeinschaft Essen die Arbeit der Bundesregierung?

Siw Mammitzsch: Wir sind Mitglied im DMB und teilen daher dessen Kritik an der Arbeit der Bundesregierung. Jedoch fokussiert der Bundesverband seine Kritik am ehesten auf die Union. Die SPD hatte jedoch keine eigenen Impulse in Bezug auf unsere Hauptforderungen und auch auf kommunaler und auf Landesebene besticht die SPD nicht eben durch eine besonders soziale Wohnungspolitik. Die müssen wir ohnehin mit unseren Mitgliedern gemeinsam entwickeln. Wir müssen verstärkt in die Siedlungen vor Ort gehen und die Mieterinnen und Mieter organisieren, wir müssen den Druck auf die Politik verstärken. Das wurde auf dem Mietertag, der vom letzten Donnerstag bis Samstag in Magdeburg stattfand, mehrfach betont.

Knapp 400 Delegierte beschlossen auch, dass die größte Schwäche des sozialen Wohnungsbaus beendet werden soll: dass es überhaupt ein Ende der Sozialbindung gibt. Die Wohnungen, die mit Geldern der öffentlichen Hand errichtet wurden, müssen dauerhaft für die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum zur Verfügung stehen. Sie dürfen nicht wie bisher nach Ablauf der Fristen privaten Profitjägern in die Hände fallen.

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"Insgesamt unbefriedigend", UZ vom 16. Juni 2017



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