Die sozialreaktionäre Bundesregierung treibt den Umbau in Österreich weiter voran – in einem Tempo und mit Tricks, dass vielen der Atem stockt. Die Abschlussrede des neu gewählten Präsidenten des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB),Wolfgang Katzian, auf dem Kongress des ÖGB – bei der er immer noch die Sozialpartnerschaft beschwor und der Regierung die Hand reichen wollte – war gerade erst verklungen, als wenige Minuten danach Österreichische Volkspartei (ÖVP) und Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) mittels „Initiativantrag“ überfallartig eine grundsätzliche Änderung des Arbeitszeitgesetzes in den Nationalrat einbrachten.
Die Industrieellenvereinigung, Wirtschaftskammer und finanzstarken Großspender haben bei ihren willigen schwarz-blauen Vollstreckern den 12-Stunden-Tag, die 60-Stunden-Woche und eine rigorose Flexibilisierung der Arbeitszeit bestellt. Voilá, mit dem eingebrachten Arbeitszeitflexibilisierungs-Paket sollen sie ihre Wünsche – unter Umgehung der parlamentarischen Begutachtung – jetzt erfüllt bekommen.
Flankiert wurde dies mit sich widersprechenden Aussagen von MinisterInnen, offensichtlichen Falschinformationen seitens der Regierungsparteien und einem absurden Videospot „Mit flexiblen Arbeitszeiten rennts für Österreich ganz wunderbar“ der Wirtschaftskammer, der für so viel Spott in den sozialen Medien führte, dass er aus dem Netz genommen werden musste.
Im ÖGB wurde nun nach einigen Tagen der Schockstarre doch erkannt, dass auf diesen weiteren Angriff auf die Interessen der Beschäftigten nicht nur mit Presseaussendungen zu reagieren ist. Während die im Frühjahr von der Bundesregierung präsentierten Kürzungs- und Zerschlagungspläne der Sozialversicherung nur einzelne Protestaktionen nach sich zogen, wird nun fachgewerkschaftsübergreifend mobilisiert.
Dies ist auch bitter nötig, denn das Gesetzespaket greift massiv in bestehende Regelungen ein:
Der 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche würden damit zum Normalfall. Die Weisung, fünf Tage hintereinander 12 Stunden zu schuften, kann von den Unternehmern damit einseitig von heute auf morgen nach Gutdünken und profanen Profitüberlegungen verordnet werden. Entgegen der behaupteten „freiwilligen Basis“ müssen Beschäftigte – zum stillschweigenden bzw. offenen Druck der betrieblichen Alltagspraxis – nun handfeste „Gründe“ bzw. „Beweise“ vorweisen, um Überstunden ablehnen zu können.
Die bestehenden Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte und Gewerkschaften werden ausgehebelt. Für bereits mögliche branchen- oder auftragsbezogene Ausnahmeregeln von der Normalarbeitszeit, die sich die Gewerkschaften in den letzten Jahren schon abtrotzen ließen, sollen die bisherigen Auflagen und Bestimmungen ersatzlos gestrichen werden.
Damit wird auch begonnen, bisherige gesetzliche und kollektivvertragliche (tarifvertragliche) Bestimmung zu „verbetrieblichen“ oder überhaupt auf den Einzelvertrag zu verweisen. Mit der Ausweitung des Ausnahmekatalogs vom Arbeitszeitgesetz auf zusätzliche „Personen mit selbständiger Entscheidungsbefugnis“ droht eine regelrechte Ausnahmeflut zahlreicher Beschäftigter aus dem Arbeitszeitgesetz.
Die Flexibilisierungen gehen – vor allem bei den rund eine Million (30 Prozent) in Gleitzeit arbeitenden Menschen – in Richtung einer De-facto-Abschaffung von Mehr- und Überstundenzuschlägen. Garniert werden die Vorhaben noch mit einer drastischen Verkürzung der Ruhezeiten.
Noch auf dem ÖGB-Kongress wurde ein von der Basis mithilfe des gewerkschaftlichem Kampfbündnisses KOMintern eingebrachter Antrag mit der Forderung nach Betriebsrätekonferenzen und Aktions- und Streiktagen abgewürgt. Doch nun erwacht der schlafende Riese Gewerkschaftsbund nach und nach doch:
Alle regulären Sitzungen und Veranstaltungen wurden abgesagt, die Gewerkschaftssekretärinnen und -sekretäre sind ausschließlich zur Organisierung von Betriebsversammlungen abgestellt, öffentlich zugängliche und gewerkschaftsübergreifende Betriebsrätekonferenzen finden in allen Bundesländern statt, für den 30. Juni wird in ganz Österreich zu einer Großdemonstration nach Wien mobilisiert, mindestens 50000 Menschen werden erwartet.
Es ist längst überfällig, dass die bisher ausschließlich sozialpartnerschaftlich orientierten Gewerkschaften wieder zu Sammelpunkten des Widerstands gegen diese Angriffe werden. Bisher wurde das Wort „Streik“ noch nicht einmal in den Mund genommen, doch es wird nötig sein. Auch gegen den Chef der Sozialdemokraten, der sogar jetzt noch vollmundig erklärte: „Wir haben überhaupt nichts gegen den 12-Stunden-Tag“.