Einwohner berichten über Zerstörung und Geiselhaft

In Mariupol beginnt der Wiederaufbau

In Mariupol in der Donezker Volksrepublik beginnt der Wiederaufbau. Die Stadt war seit 2014 von ukrainischen Truppen besetzt, auch von Faschisten des Asow-Bataillons, das Teil der Nationalgarde der Ukraine ist. Seit Beginn der Kämpfe um die Befreiung der Stadt haben die ukrainischen Truppen die Zivilbevölkerung als lebenden Schutzschild missbraucht und die für ihren Abzug vereinbarten humanitären Korridore beschossen. Zivilisten konnten die Stadt nur unter großen Schwierigkeiten und dem Schutz der Volksmiliz der Donezker Volksrepublik (DVR) und der Streitkräfte der Russischen Föderation verlassen. Viele Einwohner der Stadt berichten, dass sie von ukrainischen Soldaten aus ihren Wohnungen vertrieben wurden, die dort Feuerpositionen einrichteten.

In einer Reportage der Zeitung der Kommunistischen Partei der DVR „Wperjod“ aus einer Schule in Besymennoje, die zurzeit als Erstaufnahmepunkt für Flüchtlinge aus Mariupol dient, berichtet ein Arbeiter von Asowstal, dass die dort Beschäftigten am 25. Februar aufgefordert wurden, in unterirdische Räume zu gehen. Er selbst saß dort zehn Tage mit wenig Wasser und kaum Lebensmitteln fest. Es gelang ihm dann, über das Tunnelsystem zu fliehen. In Gruppen sei das nicht möglich gewesen, man sei sofort von ukrainischen Soldaten beschossen worden. Er fand seine Familie mit anderen Hausbewohnern im Keller seines Hauses. Die Wohnungen waren von ukrainischen Soldaten besetzt. Wasser musste von einem Brunnen geholt werden – zuerst für die ukrainischen Soldaten, erst danach konnte man für die eigene Familie holen. Diese Familie wurde schließlich von russischen und DVR-Soldaten befreit. Eine andere Familie erzählt, wie sie im Hof eines Hauses Feuer machten, um etwas zu kochen, und wie ukrainische Soldaten ohne Rücksicht auf Zivilisten mit Granaten schossen. Der 16-jährige Sohn wurde von Granatsplittern getroffen und starb.

Derartige Berichte gibt es in den Medien der Donezker Volksrepublik viele. Auch darüber, dass abziehende ukrainische Truppen bewusst Wohnraum und Infrastruktur zerstört haben, um möglichst wenig funktionsfähig zurückzulassen. Wohnhäuser wurden systematisch vermint.

Inzwischen ist Mariupol unter Kontrolle der Volksmiliz der DVR und russischer Streitkräfte. Nur in den unterirdischen Etagen des Werks Asowstal befinden sich noch ukrainische Truppen, vor allem Asow-Faschisten. Bis zuletzt haben sie Zivilisten als Geiseln gehalten und versucht, sie gegen Lebensmittel auszutauschen. Es gibt Berichte von Menschen, die auf eigene Gefahr das Werk verlassen haben, weil sie nicht über die humanitären Korridore informiert worden waren.

Im Rest der Stadt beginnen langsam die Aufräumarbeiten. Wohngebiete und Infrastruktur sind zu großen Teilen zerstört. Vom Fuhrpark der kommunalen Verkehrsbetriebe zum Beispiel sind nur noch etwa 15 Prozent funktionsfähig. Die Führung der DVR hat Anfang April Konstantin Iwaschtschenko zum Bürgermeister ernannt. Der ehemalige Abgeordnete der Oppositionsplattform im Stadtrat von Mariupol ist Manager der Maschinenbaufabrik Asowmasch. Nach seiner Aussage leben von ursprünglich 440.000 noch etwa 250.000 Menschen in der Stadt. Die Arbeit der Stadtverwaltung wird schrittweise wieder aufgenommen. Zwei der Krankenhäuser wurden vom Gesundheitsministerium der DVR übernommen und sind wieder vollständig in Betrieb. Einige Schulen nehmen den Unterricht wieder auf. Schulbücher und Unterrichtsmaterial kommen aus Russland. Die Kinder erhalten dort kostenlose Mahlzeiten im Rahmen der humanitären Hilfe. Mit russischer Unterstützung wurden in den befreiten Stadtteilen humanitäre Zentren eingerichtet, in denen Bewohner Lebensmittel, Trinkwasser und auch ärztliche Behandlung erhalten. Auch die Armeen der DVR und der Russischen Föderation verteilen humanitäre Hilfe. Die Armee der DVR hat Feldbäckereien eingerichtet. Es gibt Gruppen von Freiwilligen, die die Menschen zu Hause aufsuchen, um auch die zu erreichen, die nicht von sich aus zu den Zentren kommen. Das Arbeits- und Sozialministerium der DVR nimmt Anträge auf Renten- und Sozialzahlungen an. Auch das Arbeitsamt der DVR ist vor Ort tätig. Menschen werden befristet für Aufräumungsarbeiten eingestellt und erhalten Lohn. Eine teilweise Wiederinbetriebnahme der Strom- und Wasserversorgung ist für die nächsten Tage geplant. Ziel ist es, die Stadt und ihre Industrie wiederaufzubauen, damit jene Menschen, die auch jetzt noch täglich als Flüchtlinge nach Russland gehen, wieder zurückkehren können.

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"In Mariupol beginnt der Wiederaufbau", UZ vom 13. Mai 2022



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