Thomas Zmrzly ist Mitglied der ver.di-Vertrausleuteleitung im Universitätsklinikum Düsseldorf und war Mitglied der Streikleitung im Kampf für die „Vereinbarung Entlastung“ 2018
UZ: Die 2018 erkämpfte Vereinbarung zur Entlastung am Universitätsklinikum Düsseldorf wird im Oktober ein Jahr alt. Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Thomas Zmrzly: Vor allem hat die Mobilisierung der Kolleginnen und Kollegen, wie jeder Streik, gezeigt, wie sich das Selbstbewusstsein der Aktiven verändert. Wir können es nur selber tun, und wir müssen es selbst durchsetzen. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad der Belegschaft hat sich verdoppelt. Es gibt ein gutes Verhältnis zwischen ver.di-Aktiven und Personalrat einerseits und der Belegschaft andererseits. Das ist ein deutlich besseres Verhältnis für die vor uns stehenden Auseinandersetzungen.
UZ: Wie würden Sie aktuell den Stand der Umsetzung bewerten?
Thomas Zmrzly: Widersprüchlich. Ziel unseres Streikes war es ja letztlich, Zugriff auf das Personal-Patienten-Verhältnis oder besser gesagt auf das Arbeitsvolumen zu bekommen. Dazu haben wir erreicht, dass alle im Haus wissen müssen, wie viele Kolleginnen und Kollegen in jeder Abteilung wie viele Patientinnen und Patienten versorgen beziehungsweise wie viele Untersuchungen oder Operationen durchgeführt werden dürfen. Sollte diese Vereinbarung unterschritten werden, muss dies gegenüber der Pflegedirektion und dem Personalrat angezeigt werden. Dann muss der Arbeitgeber spätestens mit der vierten gleichen Schicht darauf reagieren, indem Ersatzpersonal organisiert oder Leistungen gekürzt werden. Darüber hinaus ist ein Stellenaufbau von 140 zusätzlichen Stellen in der Pflege sowie von 40 Stellen in den Bereichen Transport, Küche und weiteren vereinbart worden.
UZ: Wurden die neugeschaffenen Stellen besetzt und das Arbeitsvolumen wie vertraglich vereinbart zu eurer Entlastung reduziert?
Thomas Zmrzly: Nein, eigentlich nicht. Es sind genauso viel Kolleginnen und Kollegen neu dazugekommen wie auch wieder gegangen sind. Einen Personalaufbau hat es de facto nicht gegeben. Was die Entlastung der Kolleginnen und Kollegen angeht, so hängt sie entscheidend vom Willen und der Durchsetzungsfähigkeit der Einzelnen ab. Melden sie die jeweilige Unterschreitung und fordern sie zum Beispiel eine Bettenschließung, wenn nicht genug Kolleginnen und Kollegen da sind, oder nicht? Im Alltag heißt dies, in jeder Schicht bereit zu sein, die vertraglich festgelegte Anzahl an Kolleginnen und Kollegen einzufordern.
UZ: Wie geht es nun weiter?
Thomas Zmrzly: Wir werden den vertraglich vereinbarten Weg weiter gehen, das bedeutet, wir werden vom Arbeitgeber die Umsetzung der Vereinbarung einfordern. Ohne deutliche Leistungsreduzierung kann der Arbeitgeber den Vertrag nicht einhalten. Darauf werden wir jedoch bestehen. Außerdem war ja noch vereinbart worden, dass bis allerspätestens zum März 2020 in allen Bereichen mittels Personalbedarfsermittlungsverfahren die dann gültige Regelbesetzung errechnet und umgesetzt werden muss. Damit ist noch nicht wirklich begonnen worden. Wie das noch geschafft werden kann, ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel.
UZ: Was aber hat sich denn verbessert?
Thomas Zmrzly: Nun einige Vereinbarungen sind auch umgesetzt worden beziehungsweise werden umgesetzt. Eine zentrale Forderung war „Keine Nacht allein“. Darüber hinaus war es vor der Vereinbarung üblich, dass Kolleginnen und Kollegen zu Schichtbeginn einfach in andere Abteilungen geschickt wurden, um die dortige Unterbesetzung zu beheben. Beides ist nun weitgehend unterbunden oder findet nicht mehr statt.
Tatsächlich werden die Azubis in der Pflege nun auch angeleitet. Auch dies war vor der Vereinbarung anders. Außerdem, das war eine zentrale Forderung im Streik, konnten jetzt auch die vereinbarten 40 Stellen in nicht-pflegerischen Bereichen ausgeschrieben und zum Teil auch schon besetzt werden. Gerade die Tatsache, dass alle Bereiche im Krankenhaus ihre Forderungen gestellt haben und gemeinsam dafür gestreikt haben – und nicht nur die in aller Munde geführte Pflege – hat unseren Streik so erfolgreich gemacht.
UZ: Sie haben ja jetzt auch endlich den tariflosen Zustand bei den ausgelagerten Tochterfirmen beendet. Wie ist hier das Ergebnis zu bewerten?
Thomas Zmrzly: Der Streik bei den Tochterfirmen des Uniklinikums Düsseldorf hat ja schon viel länger gedauert und tatsächlich auch einige Höhen und Tiefen gehabt. Wir konnten erst durch unsere gemeinsamen Streikmaßnahmen die Landesregierung zur Aufnahme von Tarifverhandlungen in den Tochterfirmen zwingen. Innerhalb von zwei Jahren sieht der Tarifvertrag die Angleichung an den Tarifvertrag der Länder vor. Das ist ein Riesenerfolg, und wir hoffen, dass das Schule macht. Gerade der jahrelange tariflose Zustand an den Unikliniken in NRW war und ist ein echter Skandal. Für ver.di ist dies meiner Meinung nach überhaupt nicht tolerierbar, und ich bin optimistisch, dass wir dies in absehbarer Zeit in anderen Städten angehen werden.
UZ: Wie geht es nun im Kampf für bessere Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen weiter?
Thomas Zmrzly: Auf dem bundesweiten Krankenhaustreffen aller ver.di-Kolleginnen und -Kollegen hat sich gezeigt, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben, um für Entlastung der Kolleginnen und Kollegen und für eine bessere Versorgung für alle zu sorgen. Weitere Häuser diskutieren gerade, ob sie auch ihre Arbeitgeber zu Verhandlungen um einen Vertrag Entlastung auffordern und wenn nötig streiken werden. Der Kampf um Entlastung in Krankenhäusern geht weiter.
UZ: Sie sind nicht nur aktiv im Kampf um Entlastung gewesen, sondern auch im „Düsseldorfer Bündnis für Personal im Krankenhaus“. Wie geht es da weiter?
Thomas Zmrzly: Wir haben mittlerweile in mehreren größeren Städten in NRW solche Bündnisse. Sie unterstützen einerseits die Kämpfe ganz konkret vor Ort und andererseits versuchen sie die gesellschaftliche Diskussion um die Frage der öffentlichen Gesundheitsversorgung zu politisieren. Mit Parolen wie „Keine Profite mit der Pflege“ oder „Gesundheit ist keine Ware“ wollen sie der Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung entgegentreten. Im DGB findet dies weitgehend positive Unterstützung.
Daran wollen wir weiter arbeiten und über den Häuserkampf hinaus für eine gesetzliche Personalbemessung werben. Diese Forderung in Kombination mit der Abschaffung der Fallpauschalen ist die notwendige Grundlage für einen Perspektivenwechsel in der bundesweiten Gesundheitsversorgung. Und selbstverständlich steht sie der neusten „Studie“ der neoliberalen Bertelsmann-Stiftung diametral entgegen, die Krankenhausschließungen zur „Bereinigung“ des Personalmangels empfiehlt.