Dokumentation der Abwehrkämpfe

In finsteren Zeiten

Von Ekkehard Lieberam

Mag Wompel, Helmut Weiss, Best of – LabourNet Internationales,

Berkamen 2017, pad-Verlag, 71 Seiten, 5, – Euro.

pad-Verlag – Am Schlehdorn 6–59192 Bergkamen

pad-verlag@gmx.net

Wir leben in ziemlich finsteren Zeiten. Die neoliberale Kapitaloffensive geht weiter. Der Klassenkonflikt hat seine revolutionäre Schärfe verloren; die kommunistischen und linkssozialistischen Parteien in zahlreichen Ländern ihre Stärke. Umso wichtiger ist es genau hinzusehen, wo sich Abwehrkämpfe von Belang entwickeln, in welchen Ländern wer mit welchen Mitteln diese Kämpfe führt. Die vorliegende Broschüre, ein Gemeinschaftsprojekt von LabourNet Germany und der Reihe „Ökonomisches Alphabetisierungsprogramm“ des pad-Verlages/Bergkamen dokumentiert diese kurzfristigen Proteste und Kämpfe im Jahre 2016. Autoren sind Mag Wompel und Helmut Weiss von http://www.labournet.de.

Informiert wird ausführlich über die größte sozialpolitische Bewegung dieses Jahres, die sich in Frankreich gegen das neue Arbeitsgesetz unter den Bedingungen der dortigen Notstandspolitik entwickelte. Anliegen des Gesetzes war es unter anderem Entlassungen zu vereinfachen und Überstundenbezahlung zu kürzen. Nach Angaben der beteiligten Gewerkschaften demonstrierten am 14. Juni allein in Paris eine Million Menschen und 300 000 im übrigen Frankreich. Die mediale Berichterstattung „meldete“ lediglich 125000 Teilnehmer landesweit. Dokumentiert wird außerdem der Kampf der Lehrer und insbesondere ihrer Gewerkschaft SNTE in Mexiko gegen die auf eine rigorose Privatisierung abzielende Bildungsreform der mexikanischen Regierung. Im Zusammenhang mit den Protesten und Streikaktionen gab es neun Todesopfer, 23 „Verschwundene“ und 45 Menschen in Krankenhäusern. Die Regierenden setzten auf massive Einschüchterung: militärische Besetzungen von Gemeinden, willkürliche Verhaftungen und mediale Lynchjustiz. In Brasilien sprach Redakteur Helmut Weiss mit Aktivistinnen und Aktivisten, die mit Demonstrationen und Streiks gegen die Absetzung der Präsidentin Dilma Rousseff von der sozialdemokratischen Arbeiterpartei am 17. April durch das brasilianische Abgeordnetenhaus berichteten. 2016 fand der bisher größte Streik in der indischen Geschichte statt. Am 2. September 2016 streikten und demonstrierten mehrere zehn Millionen Lohnabhängige. Ziele waren ein Ende der Leiharbeit, ein ausreichender Mindestlohn und eine Verbesserung der Arbeitsgesetze. Erfolgreich beendet werden konnte in Portugal der Dockerstreik am 28. Mai gegen Prekarisierung in Lissabon. Leiharbeit wurde abgeschafft, Entlassungen zurückgenommen. Berichtet wird ferner über die Entwicklung einer eigenständigen Gewerkschaftsbewegung in China, so bei der Walmart-Belegschaft. Dokumentiert wird der Kampf der britischen Radfahrkuriere für einen Stundenlohn von acht Pfund pro Stunde und der Kampf um die Anerkennung der Basisgewerkschaft Independant Workers Union of Great Britain.

Vermisst habe ich eine Dokumentation der zahlreichen Streiks und Demonstrationen gegen die Spardiktate der EZB und der Europäischen Kommission in Griechenland. Neben der konkreten Dokumentation der Abwehrkämpfe wäre auch jeweils eine Streikstatistik wünschenswert (möglichst aller kapitalistischen Hauptländer). Ratsam aber ist vor allem, die mit diesem Heft begonnene Reihe fortzusetzen.

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"In finsteren Zeiten", UZ vom 2. März 2018



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