In echt.

Von Karl Rehnagel

Ein Fußballer lässt sich dabei filmen, wie er von einem „Promikoch“ ein Kotelett serviert bekommt. Das Stück Fleisch ist mit Blattgold überzogen und kostet krasse 1 200 Euro. So weit, so dämlich. Weil wir aber in Zeiten von Instagram und Co. leben (ersteres bezeichnete ein Autor kürzlich als „den unbestritten dümmsten Ort des Internets“, wofür ich nochmal danken möchte), wird die ganze Aktion auch noch online gestellt. Und der Fußballer, der liebe Franck Ribéry, hat knapp 4  000  000 Menschen, die ihm auf Instagram „folgen“.

Was kommt, ist, gerade aus seiner Heimat Frankreich, ein Shitstorm. Vielen Franzosen geht es unter Macron schlechter denn je. Ein Blattgold-Kotelett prangern sie als völlig überzogene Verschwendung und übelste Prahlerei an. Hier könnte die Gruselgeschichte zu Ende sein, doch der Hauptteil kommt erst noch. Denn die Antwort des Fußballprofis und Multimillionärs Ribéry, ebenfalls auf Instagram, lautete so: „Lass uns beginnen mit den Neidern, den Hassern, die sicher durch ein löchriges Kondom entstanden sind. Fickt eure Mütter, eure Großmütter und sogar euren Stammbaum. Mein Erfolg habe ich Gott zu verdanken (…), ihr wart nur Kieselsteine in meinen Socken.“ Der absolut ultimative Abgesang auf das Verhältnis zwischen Fan und Fußballprofi. In echt.

Sicher, auch andere Profis zeigen gerne, was sie zu viel haben. Mario Götze mit seiner Ann-Kathrin Brömmel im Luxusurlaub, Pierre-Emerick Aubameyang vor seinem goldenen Maserati, Cristiano Ronaldo auf seiner Yacht. Und wo für manchen Fan eine Dauerkarte für seinen Verein nicht mehr zu bezahlen ist, weil einfach das Geld fehlt, da zeigt Jérôme Boateng im Internet mal gerne seine sündhaft teuren Sneakersammlung – 600 Paar!

Ja, das hat es alles auch schon früher gegeben. George Best, 1963–1974 bei Manchester United kickend, kann da wie folgt zitiert werden: „Ich habe viel Geld für Alkohol, Frauen und schnelle Autos ausgegeben, den Rest habe ich einfach verprasst.“ Das klingt gar lustig und lange Zeit wurde Fußballern das Geld gegönnt, auch wenn früher schon das Missverhältnis zwischen Arbeit und Gehalt sehr deutlich war.

Aber: Das Missverhältnis hat einen Punkt erreicht, den viele nicht mehr akzeptieren. Beispiel? Thomas Müller, eher arg limitierter Fußballer des FC Bayern München, verdient zur Zeit 16 Millionen Euro – pro Jahr. Die Frage ist: Wofür eigentlich? Für das bisschen Rumgekicke? Wenn jetzt noch ein „Profi“, wie Mannschaftskollege Ribéry, seine Fans massiv und übelst beleidigt, dann ist der Bruch offen. Zumindest ich kann mich nicht daran erinnern, dass ein Fußballprofi jemals so direkt gesagt hat: Ich hab‘ ausgesorgt. Scheiß auf euch!

Ja, ich schaue immer noch gerne Fußball. Ich liebe schöne Spielzüge, mich begeistern Tricks und Finten, ich mag das Spiel und die Emotionen. Aber ich merke auch: Die Begeisterung wird kleiner. Absurde Spielergehälter, Transfersummen aus der Hölle, das ganze Blink-Blink und die ultimative Vermarktung von allem und jedem – es macht immer weniger Spaß. Dieter Hildebrandt hat mal gesagt: „Der Fußballfanatismus ist eine europäische und sogar weltumspannende Geisteskrankheit.“

Sehr hübsch. Aber wenn Adi­das-Volkswagen-Coca-Cola-Deutschland mit so 16-Millionen-Müllers und 600-Paar-Sneakers-Boatengs Ende 2022 in Katar (!) auftritt, bin ich spätestens raus. Die schöne M., U., der Mann ohne Zähne, und Gartenkollege A. mögen mir vergeben. Oder mitkommen zum Winterboulen im Schrebergarten. Macht sowieso mehr Spaß. Das Kotelett hau ich dann selber auf den Grill und Bier holen wir von der Bude um die Ecke für einen Euro. In echt.

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"In echt.", UZ vom 18. Januar 2019



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