Ende November sind in Lissabon 13 000 von insgesamt rund 42 000 Polizistinnen und Polizisten auf die Straße gegangen.Wie viele andere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes versammelten auch sie sich, aufgerufen von den beiden wichtigsten Polizeigewerkschaften, um für berechtigte soziale Anliegen (unter anderem Erhöhungen der Gehälter sowie der seit zehn Jahren unveränderten Zuschläge) zu demonstrieren.
Was jedoch für besondere Aufmerksamkeit der Medien sorgte, war die starke Präsenz einer im rechtsextremen Lager verorteten Organisation namens „Movimento Zero“(M0). Ihre unter den Teilnehmern verbreitete Akzeptanz verriet, was zuvor weitgehend im Verborgenen geblieben war: Unter Polizisten der Ordnungspolizei PSP und Angehörigen der Gendarmerie GNR hat diese Organisation inzwischen offenbar einigen Zulauf. Sie wurde Berichten zufolge im Mai 2019 gegründet, nachdem mehrere Polizisten wegen rassistisch motivierter Handlungen gerichtlich verurteilt worden waren.
Auf der Demonstration fielen die „M0“-Anhänger auch dadurch auf, dass sie mit Daumen und Zeigefinger einen Gruß zeigten, der zumindest beim Neuseeland-Attentäter Brenton Tarrant für „White Power“ stand, in Lissabon aber vermeintlich nur als „Zero“, als „Null“ für „Null-Toleranz“ verstanden werden sollte.
Der einzige Abgeordnete der im April gegründeten und seit der letzten Wahl im Oktober im Parlament vertretenen rechtsextremen Partei „Chega“ („Es reicht“; 1,29 Prozent der Stimmen) konnte den Umstand für sich nutzen, dass die aufrufenden Gewerkschaften zwar Unterstützung im Parlament gewünscht, aber keine Besuche von Parlamentariern bei der Abschlusskundgebung vereinbart hatten: Er ergriff publikumswirksam und umjubelt von Anhängern das Mikro eines Lautsprecherwagens der Gewerkschaft.
Angehörige von Linksblock und Kommunisten hatten ihre volle Solidarität durch weniger spektakuläre Teilnahme an der Demonstration bekundet.
Spätestens seit dieser Beobachtung muss man annehmen, dass die verbreitete massive Unzufriedenheit mit Arbeitsbedingungen, Vergütungen und Laufbahnregelungen innerhalb der Polizei von Rechtsextremen genutzt wird, um nicht nur Unzufriedenheit mit den Gewerkschaften zu schüren, sondern auch rechten Korpsgeist und rechtsextreme Ideologie in den Polizeieinheiten zu festigen oder in sie hineinzutragen. Für viele Portugiesen hat die sich hinter Anonymität versteckende „Movimento Zero“ (Motto: „Wir alle sind die Bewegung“) nun ein Gesicht: das des Chega-Abgeordneten André Ventura, eines Juristen mit offenkundigem Hang zu Selbstdarstellung und Demagogie.
Erst kürzlich hatte „Avante“, die Zeitung der portugiesischen Kommunisten, kommentiert, man dürfe der Vorstellung nicht trauen, dass in Portugal „alles anders“, dass die Rückkehr des Faschismus dort nicht möglich sei. Nach der Polizeidemo vom 21. November zeigt sich, dass es einen Schritt genau dorthin bedeuten könne, wenn die Ignoranz der Lissaboner Regierung Angehörige der „Sicherheitsstrukturen“ in die Arme der Rechtsextremen triebe.
Um so wichtiger scheint zu sein, dass weder Linksblock noch PCP Berührungsängste mit Polizeigewerkschaften oder Berufsverbänden der Uniformierten haben. Dazu mag beitragen, dass es in Polizei und Armee auch eine demokratische Traditionslinie gibt, die auf den antifaschistischen Widerstand und die Revolution im April 1974 zurückgeht.
Die PCP hatte bereits im Frühjahr einen von den regierenden Sozialisten abgelehnten Gesetzentwurf vorgelegt, der unter anderem die 35-Stunden-Woche für Polizeikräfte vorsah. Der Entwurf steht jetzt noch einmal auf der Tagesordnung. Hier und in vielen anderen Fragen wird sich zeigen, inwieweit es einer nach den Wahlen geschwächten Linken gelingen wird, der sozialistischen Minderheitsregierung die richtigen Entscheidungen abzuringen.