Wie weiter mit der deutschen Chinapolitik?

In der Zwickmühle

Hua Chunying, eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, meldete sich bereits am Tag nach der Bundestagswahl zu Wort. „Wir hoffen und erwarten“, äußerte sie, „dass die neue deutsche Regierung ihre pragmatische und ausgewogene China-Politik fortsetzt“. Man muss sich schon auf die Zunge beißen, um eine Politik, die Sanktionen und Kanonenbootpolitik umfasst, „ausgewogen“ zu nennen. Doch hatte Deutschlands Chinapolitik in der Ära Merkel in der Tat stets noch eine andere Seite: Die Wirtschaft der beiden Länder kooperierte, trotz allerlei Hindernissen, im Großen und Ganzen recht eng – und neben politischen Aggressionen gab es immer wieder gewisse ökonomische Annäherungen, so etwa die Einigung auf ein Investitionsabkommen zwischen China und der EU, die Ende 2020 besonders auf deutsches Drängen zustande kam, sehr zum Unwillen der USA. Washington mobilisiert alle verfügbaren Kräfte, um den unaufhaltsamen Aufstieg des großen Rivalen China in letzter Sekunde zu stoppen.

Joerg Kronauer - In der Zwickmühle - Bundestagswahl, China - Positionen

Wie wird es mit einer neuen Bundesregierung weitergehen? Annalena Baerbock (Grüne) fordert mehr „Härte“ gegen die Volksrepublik, Christian Lindner (FDP) will, dass die neue Bundesregierung „entschlossener und weniger samtpfötig“ gegenüber China auftritt und CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen fordert „robuste Antworten“. Unter der US-Hegemonie konnte die Bundesrepublik stark und mächtig werden. Für die Transatlantiker-Fraktion lohnt es immer noch, in das Bündnis zu investieren – zumal niemand sicher vorhersagen kann, wie viel Einfluss Deutschland in einer Welt mit zwei dominanten Machtpolen in Washington und Peking wirklich bliebe. Besonders Bündnis 90/Die Grünen agitieren unter dem Vorwand, für Menschenrechte zu kämpfen, seit je an der Seite der Vereinigten Staaten gegen China.

Befragt zu möglichen künftigen Regierungskoalitionen, gab sich VW-Chef Herbert Diess kürzlich ganz offen: „Wir können mit allen Konstellationen arbeiten.“ „Je nach Zusammensetzung“ habe er allerdings „Sorge wegen des Umgangs mit China“. Das war wohl nicht zuletzt auf die Grünen gemünzt. Volkswagen verzeichnet aktuell 41 Prozent aller seiner Verkäufe weltweit in der Volksrepublik; Diess besteht daher darauf: „Rationale China-Beziehungen sind wichtig.“ Die China-Fraktion in der deutschen Industrie, etwa in der Kfz-Branche und im Maschinenbau, ist nach wie vor stark.

Die nächste Bundesregierung wird wohl weiterhin versuchen müssen, beiden Seiten Rechnung zu tragen. Auf das Kooperationsinteresse einer starken Wirtschaftsfraktion gründet sich denn auch die Hoffnung, von der Hua kurz nach der Wahl sprach. Nur: Chinas Aufstieg verschiebt die Dinge. Die Volksrepublik hat Deutschland zum Beispiel kürzlich als Weltmeister im Maschinenexport abgelöst. Das Institut der deutschen Wirtschaft wiederum fand unlängst heraus, der deutsche Anteil an der Einfuhr der anderen EU-Staaten sei seit 2005 tendenziell gesunken – auch, weil der chinesische Anteil deutlich stieg. Muss man sich dem Aufstieg eines Konkurrenten nicht doch entgegenstellen, wenn der zwar einzigartige Geschäftschancen bietet, einem aber an anderer Stelle wirtschaftlich das Wasser abgräbt?

Die Zwickmühle könnte von außen zerschlagen werden, fürchtet Anton Börner, Chef des Außenhandelsverbandes BGA. „Die exportorientierte deutsche Wirtschaft“ brauche beides, betonte er kürzlich: „den chinesischen und den US-amerikanischen Markt“. Nur würden „China und die USA“ vermutlich „so lange den Druck auf Europa erhöhen … bis wir uns für eine Seite entscheiden müssen“. Leider habe keiner der Kanzlerkandidaten „den Mut“, dieses Problem – „unser derzeit größtes“ – „entschlossen anzugehen“. Dabei werde Deutschland, sollte es sich auf eine Seite schlagen müssen, „schweren Schaden“ nehmen.

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"In der Zwickmühle", UZ vom 1. Oktober 2021



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