Die spanischen Kommunisten und die Katalonien-Frage

In der Sackgasse

Von Olaf Matthes

Die fetten Jahre sind vorbei. Für die Kommunistische Partei der Völker Spaniens (PCPE) spitzt sich der Kampf um Katalonien deshalb zu, weil der frühere Kompromiss zwischen verschiedenen Teilen des Kapitals in Spanien nicht mehr funktioniert: Aufteilung der Märkte durch ein bisschen Autonomie für einige Regionen des spanischen Staates. Deshalb seien es gerade nicht die größten katalanischen Unternehmen, die Gewinner in der Jagd nach Profiten, die für die Unabhängigkeit sind – hunderte der größten Unternehmen der Region wie die Bank Caixa verlegten ihren Sitz aus Katalonien in andere Teile Spaniens. Es seien die kleinen Kapitalisten, die durch die stärkere Konkurrenz von der Pleite bedroht sind, die die Bewegung für die Unabhängigkeit „vorangetrieben und geführt“ haben, schätzt die PCPE ein.

Diese Bewegung sei in eine Sackgasse geraten: Der katalanische Präsident Carles Puigdemont nach Belgien geflohen, einige seiner Minister in Spanien gefangen, Katalonien von der Madrider Regierung kontrolliert. Noch am Montag forderte Puigdemont im britischen „Guardian“, dass die Repression des spanischen Staates „unter ausländischer Kontrolle“ untersucht werden solle. Schon zuvor hatte er (erfolglos) die EU aufgefordert, gegen die Unterdrückung Kataloniens aktiv zu werden. Nach Brüssel floh Puig­demont auch deshalb, weil es auch in Belgien eine starke separatistische Kraft gibt: Die rechte, flämisch-nationalistische N-VA. Deren Spitzenmann Bart de Wever verkündete, „dass Puigdemont ein Freund ist und Freunde bei mir stets willkommen sind“. Die europäischen Großmächte und reaktionäre Separatisten – das sind die internationalen Kräfte, deren Unterstützung Puigdemont erhofft.

Wer die Frage der Selbstbestimmung des katalanischen Volkes so stellt, will nicht darüber sprechen, welche sozialen Kräfte hinter der spanisch-nationalistischen Selbstherrlichkeit der Rajoy-Regierung stehen. Am 21. Dezember soll in Katalonien ein neues Regionalparlament gewählt werden. Die Anhänger der katalanischen Unabhängigkeit wollen diese Wahl zu einer Abstimmung über die Unabhängigkeit machen – und damit „die sozialen Themen aus der Debatte heraushalten, die das alltägliche Leben der gesellschaftlichen Mehrheit betreffen“, sagte Alberto Garzón am Montag. Garzón leitet die Vereinigte Linke (IU) und sitzt für sie im Parlament, er kommt aus der stärksten Kraft der IU: Der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE), die aus eurokommunistischer Tradition kommt. „Wir wollen nicht, dass man bei diesen Wahlen nur über Blöcke spricht, sondern von sozialen Fragen, mit denen sich die Volksklassen sowohl in Katalonien als auch im Rest Spaniens identifizieren können.“ Im Wahlkampf wolle die IU daher für eine „soziale Achse“ stehen, sagte Garzón.

PCPE und PCE bekämpfen die Repressionen, mit denen die spanische Regierung die katalanische Unabhängigkeitsbewegung unterdrücken will. Die PCE betonte auf einer Tagung ihrer Leitung Ende Oktober, dass ihre Abgeordneten gegen die Anwendung des Artikels 155 gestimmt haben, mit denen Ministerpräsident Rajoy die katalanische Regionalregierung entmachtet hat. Sie fordert, dass das katalanische Volk frei über seine Zukunft entscheiden darf, dass die auch in Katalonien verlorengegangenen sozialen Rechte wiederhergestellt werden und dass der spanische Staat zu einer „Solidarischen föderalen Republik“ umgestaltet wird. Die PCPE und die mit ihr verbundene Kommunistische Partei des Katalanischen Volkes (PCPC) verurteilten am vergangenen Freitag, dass die Behörden Mitglieder der katalanischen Regionalregierung festgenommen hatten – sie seien „trotz ihres bürgerlichen Charakters die legitimen Vertreter des katalanischen Volkes“. Das Gericht dagegen, das die Festnahme angeordnet hatte, sei „ein würdiger Erbe“ der Franco-Justiz. Die Wahlen am 21. Dezember hätten durch die Repressionen an Legitimität verloren.

Die PCPE schätzt ein, dass die spanische Bourgeoisie eine umfassende, reaktionäre Reform des spanischen politischen Systems anstrebt und den nationalistischen Kampf gegen die katalanische Unabhängigkeit als Vorwand dazu benutzen will. Einen Ausweg biete nicht ein unabhängiges Katalonien, sondern nur die unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse für ihre eigenen Interessen.

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"In der Sackgasse", UZ vom 10. November 2017



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