Es war im Jahr 2010, als der Deutsche Bundestag fraktionsübergreifend einen Beschluss fasste, der den Abzug der US-Atomwaffen aus dem rheinland-pfälzischen Büchel zum Ziel hatte. Darin hieß es: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, sich … mit Nachdruck für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland einzusetzen“. Eine windelweiche Formulierung, aber immerhin zeigte sie einen Weg auf, wie Atomwaffen aus Büchel verschwinden könnten. Die Bundesregierung müsste gesetzlich verpflichtet werden, der US-Regierung die weitere Lagerung der Bomben zu untersagen. Es wäre nicht einmal die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrages (AVV) nötig, der auch keine direkte gesetzliche Verpflichtung gegenüber der deutschen Bevölkerung beinhalten würde, sondern eine Verpflichtung gegenüber dem Ausland wäre.
Aufgrund der engen NATO-Einbindung Deutschlands weigert sich die Bundesregierung jedoch fortgesetzt, den Bevölkerungswillen umzusetzen. Immer wieder wird in Meinungsumfragen deutlich, dass eine übergroße Mehrheit in der Bundesrepublik gegen die Lagerung der Bomben auf deutschem Territorium ist. Die Ausgangsbedingungen für die Friedensbewegung, stärkere Unterstützung für die Forderung nach einem schnellen Abzug der Bomben aus Büchel zu gewinnen sind daher nicht schlecht. Ein Hinweis darauf, welche Rolle die US-Atombomben für die NATO haben und wo daher für Friedensaktivisten anzusetzen ist, gab Maas vor einer Konferenz zur nuklearen Abrüstung in Madrid im Juli: „Es geht dabei nicht nur um unseren eigenen Schutz, sondern wir übernehmen auch Sicherheitsgarantien, insbesondere für osteuropäische Staaten. Und ich finde nicht, dass man die zur Disposition stellen kann.“ Die Bomben sind also für die NATO ein wesentliches Instrument im neuen Kalten Krieg gegen Russland.
Das Märchen von der Bedrohung osteuropäischer Staaten durch Russland wird weitererzählt, um das NATO-Nuklearpotential zu rechtfertigen. Eine perspektivisch erfolgreiche Bewegung für eine atomwaffenfreie Welt müsste also zunächst den Schritt zu einer atomwaffenfreien Bundesrepublik gehen. Ohne eine friedliche Politik gegenüber Russland und eine Anerkennung von Russlands Sicherheitsinteressen ein schwer vorstellbares Szenario. Eine Gleichsetzung der atomwaffenbesitzenden Staaten, vor allem der USA und Russland, erschwert aber die Fokussierung des Friedensprotests auf die hiesigen Atomkrieger der NATO.
In der gegenwärtigen Situation der atomaren Bedrohung durch die USA kann Russland trotz der von Außenminister Lawrow geäußerten Sympathie für den AVV diesen nicht unterzeichnen, ohne sich den USA militärisch zu unterwerfen. Weitaus realistischer als der Umweg über den AVV wären gegenseitig kontrollierbare Abrüstungsschritte zwischen den USA und Russland. Die Grundlage für Verhandlungen über die Reduzierung der Arsenale aber kann nur der Abzug der extraterritorial einsatzbereit gehaltenen US-Atomwaffen aus Europa sein. Dafür braucht es Druck – auch und gerade in Büchel.