Jürgen Vogel brilliert in der ARD-Serie „Der Informant“

In den Fängen der Dienste

Ein jüdischer Dirigent, eine muslimische Konzertmeisterin mit Kopftuch. Ein Konzert in der Elbphilharmonie. Ein islamistischer Anschlag. Und acht Tage fieberhafter Arbeit von LKA, BKA und BND, um den Anschlag zu verhindern. Dazu der Titel „Der Informant. Angst über der Stadt“.

Klingt nach antimuslimischer Propaganda, nach rassistischem Kackscheiß auf der Höhe der Staatsräson-Zeit. Ist es aber zum Glück nicht.

Der ARD-Sechsteiler „Der Informant“ von Regisseur und Drehbuchautor Matthias Glasner zeigt im Gegensatz dazu, wie schnell und tief man in die Fänge der deutschen „Sicherheits“behörden gerät – als völlig Unschuldiger. Und wie sich eben diese Behörden in einem Strudel von selbsterzeugter Panikmache, politischen Zielen, für die auch über Leichen gegangen wird, und Konkurrenzallüren zur Bedrohung für die öffentliche Sicherheit entwickeln.

Woher das Gerücht kommt, weiß man nicht so genau. Aber der Mann, der als Drahtzieher eines terroristischen Anschlags in Oslo im Verdacht ist, hat mehrmals Hamburg besucht. Die Stadt muss das neue Ziel sein, so BND und Bundeskriminalamt. Sie fallen in die Hansestadt ein und setzten das LKA unter Druck.

Deren Analysten legen sich schnell auf die Elbphilharmonie als mögliches Ziel fest – ist dort doch in acht Tagen das Konzert eines jüdischen Dirigenten geplant. Beweise oder konkrete Drohungen? Fehlanzeige. Doch der Verdacht ist in der Welt, also wird Gabriel Bach, abgehalfterter ehemaliger verdeckter Ermittler des LKA (Jürgen Vogel) auf die Sache angesetzt, ihm an der Seite als Aufpasserin die junge BKA-Beamtin Holly Valentin (Elisa Schlott). Und da Bachs Informanten in der Drogenszene nichts vorzuweisen haben, brauchen sie einen neuen, den sie in vermeintlich islamistische Kreise einschleusen können. Da kommt ihnen Raziq „Raza“ Shaheen (Ivar Wafaei) gerade recht. Der Volkshochschullehrer hatte seine Freundin mit einer Überdosis Ecstasy ins Krankenhaus gebracht und war dann wegen Drogenbesitzes verhaftet worden. Er scheint Holly Valentin der geeignete Kandidat zu sein, denn er ist leicht erpressbar: Seine Freundin lebt ohne Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland und kann jederzeit nach Afghanistan abgeschoben werden. Für das Versprechen eines Passes für sie lässt sich Shaheen auf die Bespitzelungen ein.

Matthias Glasners „Der Informant“ mag einem stellenweise überspitzt vorkommen – aber nur, wenn man noch an das gute in den Ermittlungsbehörden glaubt. Ansonsten wirken der eklige BKA-Vertreter (Nico Holonics), der sich dummdreist noch mehr Kompetenzen wünscht („Wo ist Guantánamo, wenn man es braucht“), und die unterkühlte BND-Frau (Sabrina Ceesay), die mit dem Innenministerium Terroristen in Afghanistan finanziert (die jetzt gut, weil gegen die Taliban), beängstigend real. Und so beschleicht den Zuschauer mehr und mehr das Gefühl, dass mit dem Anschlag auf die Elbphilharmonie nicht alles so ist, wie es zu seien scheint.

Getragen wird „Der Informant“ neben den hervorragenden Schauspielleistungen (besonders des Alt-Jung Duos Vogel und Schlott) von der Erzählweise. Die Handlung entfaltet sich in Rückblenden zu den verschiedenen Tagen vor dem Anschlag und wird flankiert von Szenen von Aussagen vor einem Untersuchungsausschuss oder einem Gericht, das wird nicht ganz klar. Deutlich wird dabei nur, dass es Hinterbliebene gibt, die Antworten verlangen. Und „Sicherheits“behörden, die nicht gewillt sind, zur Aufklärung beizutragen. Auch mit dem Hinweis, es handele sich um Informationen, die die „Nationale Sicherheit“ betreffen. Da sind die Gedanken schnell beim Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz. Und gerade Linke sollten einen genauen Blick darauf werfen, wie einfach verdeckte Ermittler in die verschiedenen Kreise eingeschleust werden können.

Man könnte Glasners in eine Serie gepackten Autorenfilm für mutig halten, ein Blick in die Kritiken lässt einen jedoch anders denken. Von der Warnung vor dem deutschen „Sicherheits“apparat scheint nicht viel in den Köpfen angekommen zu sein. Die professionellen Kritiker sehen in ihren Rezensionen die Problematik bei dem jungen afghanischen Volkshochschullehrer, der angeblich nach Höherem strebt (so zum Beispiel Heike Hupertz in der FAZ), die Hobbykritiker bescheinigen der Serie in diversen Foren maßlose Übertreibung. Das zeigt nur, wie gut sich in Deutschland die Verstrickung diverser Dienste und Behörden in Anschläge vom NSU über Breitscheidplatz bis Nord Stream vertuschen lassen.

Der Informant. Angst über der Stadt
ARD, sechs Folgen, je circa 45 Minuten

Regie und Drehbuch
Matthias Glasner

Unter anderem mit Jürgen Vogel, Elisa Schott, Bayan Layla, Claudia Michelsen, Mehdi Mesakar und Ivar Wafaei
Abrufbar in der ARD-Mediathek

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"In den Fängen der Dienste", UZ vom 15. November 2024



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