„In Büchel werden Kriegsverbrechen vorbereitet“

Markus Berhardt im Gespräch mit Marion Küpker

Dichtmachen.

DKP und SDAJ beteiligen sich vom 11. bis zum 13. Juli wie in den vergangenen Jahren an den Aktionen in Büchel und wollen die Tore des Standortes blockieren. Das Programm der Kommunisten in Büchel:

Donnerstag, 11. Juli

Bis 18.00 Uhr: Anreise

Freitag, 12. Juli

10.00 Uhr: Aktionen vor dem Fliegerhorst

17.00 Uhr: Podiumsdiskussion „Wie kommen wir zu einer atomwaffenfreien Welt?“

19.00 Uhr: Working Class Song Night – Lieder der Arbeiter- und Friedensbewegung, Grillparty

Samstag, 13. Juli

14.00 Uhr: Internationale Friedenskundgebung vor dem Fliegerhorst mit Vertretern kommunistischer Parteien aus Luxemburg, Belgien und den Niederlanden

Weitere Informationen unter:

dkp-rlp.de und atomwaffenfrei.de

Anmeldung an:

buechel@dkp.de

UZ: Auch in diesem Jahr finden Aktionswochen gegen die Stationierung von US-Atombomben in Büchel statt. Was genau ist geplant?

Marion Küpker: Unsere bundesweite Trägerkreis-Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt“ führt 2019 zum vierten Mal die 20-wöchige Aktionspräsenz am Haupttor des Fliegerhorstes Büchel durch. Wir protestieren bereits seit dem 26. März und unsere Proteste sollen bis zum 9. August anhalten. An diesem Tag gedenken wir der Opfer des Atombombenabwurfs am 9. August 1945 auf die japanische Stadt Nagasaki.

UZ: Was passiert dann?

Marion Küpker: Mehrere Dutzend Organisationen werden gemeinsam mit vielfältigen Aktionen für den Abzug der Atomwaffen aus Büchel protestieren. Manche teilen sich Protesttage: Am 30. Juni zum Beispiel findet vormittags der Gottesdienst aus Maifeld am Haupttor statt, anschließend hält die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) eine Rede gegen die Atomwaffen. Ab Anfang Juli bis zum 9. August 2019 wird es ein Friedenscamp geben. Am 1. Juli beginnt das Aktionscamp mit der Woche der Internationalen Ärzteorganisation zur Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) und ICAN, der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen. Die Woche endet am 8. Juli mit einer großen Aktion, zu der breit in der Friedensbewegung mobilisiert wird. Aktionsliebende sollten möglichst schon für die Vorbereitung am 4. Juli vor Ort sein. Margot Käßmann, die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende, hat für den 7. Juli 2019 – dem Tag, an dem sich der Verbotsvertrag jährt – ihre Teilnahme an unserem ökumenischen Gottesdienst vor dem Haupttor des Fliegerhorstes angekündigt. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann sowie Renke Brahms, der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, nahmen bereits aktiv in den letzten beiden Jahren an unseren Protesten in Büchel teil. Auch dieses Jahr beginnt am 8. Juli wieder eine Internationale Woche mit vielen Aktiven aus den USA, den Niederlanden, Belgien etc., die an einigen Tagen gemeinsam mit dem Internationalen Jugendworkcamp aus Mutlangen und mit der DKP und der SDAJ Rheinland-Pfalz durchgeführt wird. Es wird viele Musik-Konzerte an den ersten beiden Juli-Wochenenden unter anderem mit José Reyes aus Spanien, Nearville aus Köln und Allman Brothers Tribe aus den Niederlanden geben. Auf unserer Website haben wir einen Terminkalender, in den sich alle Gruppen eintragen, und dort finden sich zudem unser gewaltfreier Aktionsrahmen und viele Erfahrungsberichte und Bilder der Aktionen der letzten Jahre.

UZ: Aber es geht nicht nur um symbolischen Protest, sondern schon auch um das Mittel des zivilen Ungehorsams?

Marion Küpker: In Büchel werden, mit der illegalen Politik der dortigen Atomwaffen-Handhabung, Kriegsverbrechen vorbereitet und eingeübt. Mit unseren Aktionen des gewaltfreien zivilen Ungehorsams erzeugen wir politischen Druck auf die Verantwortlichen. Blockaden der Zufahrten des Fliegerhorstes Büchel wurden – im Gegensatz zu Go-In-Aktionen, also dem gewaltfreien Eindringen in den Fliegerhorst – bisher behördlich nicht verfolgt. In den letzten beiden Jahren haben rund 70 Mal Personen die Militärbasis – teils durchs Haupttor und teils durch das Durchtrennen des Militärzaunes – betreten. Diese Taten wurden in der Vergangenheit bei deutschen Aktiven mit Geldstrafen wegen Hausfriedensbruch und teils wegen Sachbeschädigung strafrechtlich verfolgt. Es gab auch ein Verfahren für eine Entzäunungsaktion des Militärzaunes ohne ein Betreten der Basis. Strafprozesse geschehen aktuell nur noch bei Einzelnen, da es mittlerweile drei Prozessgruppen gibt, die das Ziel verfolgen, möglichst durch alle gerichtlichen Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht – und wenn möglich auch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – zu gehen. Diese Prozesse werden von uns öffentlichkeitswirksam begleitet. Wenn immer mehr Menschen den Weg durch die Gerichte wagen, haben wir eine Chance, wie damals in Mutlangen in den 1980er Jahren, wo über 3 000 Verfahren die Gerichte lahmlegten und letztlich den Abzug bewirkten. Mutlangen war ein Symbolort für die Aufrüstung mit Massenvernichtungswaffen, wie es Büchel heute immer mehr wird.

UZ: Wer unterstützt die Proteste?

Marion Küpker: Unsere bundesweite Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt“ besteht aktuell aus 67 Friedensorganisationen: IPPNW, ICAN, Pax Christi, Nukewatch und viele weitere Gruppen. Unsere Selbstverpflichtungserklärung – „mindestens einmal im Jahr nach Büchel zu den Protesten zu kommen“ – wurde bisher öffentlich auf unserer Webseite von 302 Menschen unterschrieben, weitere 236 Menschen erklären sich dort zusätzlich mit unseren Protesten – inklusive dem zivilen Ungehorsam – solidarisch und würden auch ab und zu mal nach Büchel kommen. Weitere knapp 500 Menschen solidarisieren sich mit unserem zivilen Ungehorsam aus dem Ausland.

UZ: Wie reagieren die Menschen vor Ort auf die Proteste?

Marion Küpker: Unsere Proteste finden auch in der Region immer mehr Anklang, was sich darin bemerkbar macht, dass immer mehr Menschen aus den vorbeifahrenden Autos ihre Daumen wohlwollend hochhalten. Der regionale „Wochenspiegel“ und die „Rheinzeitung“ machen seit vielen Jahren eine gute Berichterstattung. Natürlich geht es auch an der öffentlichen Meinung nicht vorbei, wenn Prominente und hohe religiöse Persönlichkeiten an unseren Demonstrationen teilnehmen. Der diesjährige Aachener Friedenspreis geht zum Beispiel an Frau Koller für den regionalen Initiativkreis gegen Atomwaffen und an mich für unsere bundesweite Kampagne, worüber hier im SWR-Fernsehen berichtet wurde. Die umliegenden Ortsbürgermeister der CDU/CSU haben eine ziemliche Schlappe beim Treffen mit der Verbandsgemeinde einstecken müssen, als sie sich über das Versammlungs- und Demonstrationsrecht belehren lassen mussten. Und natürlich gibt es – wie überall – ein paar Ewiggestrige, die uns einen Vogel zeigen.

UZ: Haben Sie eigentlich genauere Informationen darüber, wie viele und welche Art von Waffen tatsächlich in Büchel stationiert sind?

Marion Küpker: Die Region um den Militärstützpunkt Büchel steht im Brennpunkt des internationalen Interesses. Es ist der einzige Standort in Deutschland, an dem heute US-Atombomben stationiert sind, zirka 20 an der Zahl. Dort – und gemeinsam in NATO-Manövern – üben deutsche Piloten im Rahmen der „nuklearen NATO-Teilhabe“ mit Bundeswehr-„Tornado“-Kampfjets, Atombomben ins Zielgebiet zu fliegen und abzuwerfen. Aktuell gibt es die erste Neuentwicklung einer US-amerikanischen Atomwaffe seit dem Ende des Kalten Krieges, nämlich die B61–12-Atombombe.

Über 400 Stück dieser neuen Atombombe sollen nun erst in den USA ab 2023 in die Serienproduktion gehen können und rund 20 davon ab 2027 die ältere Version (die B61) in Büchel ersetzen. Zirka 200 davon sollen für die nukleare Aufrüstung in Europa sein: neben Deutschland, Italien, Holland und Belgien bislang auch für die Türkei. Die Flugtests der Prototypen endeten im Juni 2018 auf der Tonopah-Test-Range-Militärbasis in Nevada/USA. Eine erweiterte Atomkriegsgefahr geht von einem möglichen nuklearen Ersteinsatz als Überraschungseffekt aus, der Teil der NATO-Doktrin ist. US-Präsident Trump hat innerhalb der NATO die Befehlshoheit über diese Atombomben. Er benötigt hierfür nicht einmal die Zustimmung des US-Kongresses, was eine wichtige Forderung der US-Friedensbewegung ist.

Die Pläne von Trumps Sicherheitsberater John Bolton richten sich eindeutig gegen Russland und auf regionale und damit hier in Europa stattfindende Atomkriege. Gerhard Piper, Publizist und Politikwissenschaftler, schrieb dazu vor kurzem auf Telepolis: „Elbridge A. Colby, der bis 2018 Chefstratege im Pentagon war und nun als Director for Defense Plans am Center for a New American Security (CNAS) in Washington arbeitet, fordert ‚die richtige Strategie und die richtigen Waffen, um einen begrenzten Atomkrieg zu führen und zu gewinnen‘. Und: ‚Wir müssen bereit sein, Atomwaffen gezielt einzusetzen. Natürlich kann man die apokalyptische Gefahr solcher Waffen nicht komplett kontrollieren, aber wir sollten zu einem gezielten Einsatz bereit sein.‘“

UZ: Sie fordern, dass Deutschland dem UN-Atomwaffen-Verbotsvertrag beitreten solle. Ist diese Forderung nicht zumindest ein wenig naiv, wenn die Bundesregierung nicht einmal etwas gegen US-Atomwaffen in Deutschland unternehmen will?

Marion Küpker: Seit dem Frühjahr 2018 bis heute hat unsere Kampagne gemeinsam mit ICAN Germany bereits 502 Abgeordnete dazu gebracht, ihre persönliche Unterschrift zu geben, mit der von unserer jeweiligen Regierung die Unterzeichnung des Verbotsvertrages gefordert wird. Auch fordert die in Deutschland auf 650 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister angewachsene Organisation der „Mayors for Peace“ diese Unterzeichnung. Seit am 2. Februar 2019 zur Aufkündigung des INF-Vertrages durch US-Präsident Donald Trump der erste deutsche Bürgermeister aus Mainz den Städteappell unterzeichnete, folgten ihm bis heute 26 weitere bedeutende Städte. Es tut sich also etwas.

UZ: Mit welcher Begründung duldet eigentlich die etablierte Politik die US-Waffen in Büchel?

Marion Küpker: Die Grünen und die Partei „Die Linke“ wollen als einzige Bundestagsparteien derzeit den Abzug dieser Atombomben und keine neue nukleare Aufrüstung. Die anderen Parteien halten es mit der Gefolgschaft zum NATO-Bündnis, in dem der US-Präsident das Sagen hat. So verwundert es auch nicht, dass bisher kein einziges NATO-Land den Atomwaffen-Verbotsvertrag unterschrieben hat. Im Gegensatz zu derzeit 70 Länder – auch dem Vatikan –, die nicht Teil der NATO sind. Unsere Regierung sagt gerne, sie sei für eine europäische Lösung, was die Abschaffung von Atomwaffen betrifft.

UZ: Was erwarten Sie dann von der Bundesregierung?

Marion Küpker: Wir erwarten natürlich die Unterzeichnung des Verbotsvertrages. Mit unseren Protesten wollen wir dafür zusätzlich so starken Druck auf unsere Regierung ausüben, dass die Atombomben aus Deutschland verschwinden müssen. In Griechenland und Kanada ist dies bereits vor vielen Jahren geschehen. Auch die neueste Forsa-Umfrage aus 2018 zeigt, dass unsere Bevölkerung zu über 80 Prozent hinter uns steht.

UZ: Und wie kann der Druck auf die Bundesregierung erhöht werden?

Marion Küpker: Fordert bei uns Unterschriftenlisten zum Verbotsvertrag an und sammelt weiter mit. Sprecht eure Abgeordneten an, falls sie noch nicht gegen den Verbotsvertrag unterzeichnet haben, und auch eure Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Und kommt nach Büchel, wo ihr auf vielfältige Weise euren Protest zum Ausdruck bringen könnt. Seid selbst kreativ oder fragt einfach, was ihr an Hilfe von uns noch bekommen könnt, damit wir den Druck weiter gemeinsam für „Büchel atomwaffenfrei“ hin zu einer atomwaffenfreien Welt erhöht kriegen.

UZ: Vielfach wurde in den vergangenen Jahren diskutiert, dass die Friedensbewegung verjüngt und modernisiert werden müsse. Wie ist Ihre Position dazu und wie könnte derlei erreicht werden?

Marion Küpker: Junge wie alte Menschen sind wichtig und können viel voneinander lernen. Gerade macht sich eine neue Generation von jungen Menschen mit den Umweltbewegungen Fridays for Future und Extinction Rebellion wieder auf den Weg. Es wird keine kurzfristige Erscheinung sein, da wir nur noch die kommenden Jahre haben, um für unser aller Zukunft die Welt ökologischer zu gestalten und so, dass Menschenrechte eingehalten werden. Auch beim Atomwaffen-Thema ist jetzt die nachfolgende Generation dran.

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"„In Büchel werden Kriegsverbrechen vorbereitet“", UZ vom 28. Juni 2019



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